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9. Thomasins politische Stellung.

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über den Patrinrchenstaat stellt^, auf die Frage nach Wolfgers eigenen
Absichten in Bezug auf die schwierige Lage seines Staates.
Freilich darf man dabei eins nicht vergessen. Wolfger ist Deutscher.
Er ist Reichssürst und Anhänger einer starken Neichsgewalt. Thomasin
dagegen ist nie in Deutschland gewesen. Er ist Italiener und stammt
aus einem Geschlechte, dessen Angehörige für den Dogen von Venedig
Schiffe gerüstet und sich von jeher Mehr dem südlichen Nachbarn als
deni im Norden verbunden gefühlt haben. Sein Blick schweift weit
in den Süden und fernen Südosten, er schweift bis nach Frankreich und
Spanien, zu den benachbarten Ungarn, nach Byzanz und Jerusalem.
Über die Alpen hinaus ins Reich geht er nicht. Wolfger kommt aus
dem Reich. Er nimmt an den Geschäften Philipps und noch Ottos teil.
Dann aber zieht er sich auf seine Pflichten im eigenen Lande zurück.
Im Februar 1214 hat er zum letzten Male die Alpen überschritten. In-
zwischen hat es Innozenz III. verstanden, in den Verträgen von 1209
und 1213 erst Otto, dann Friedrich wichtige Zugeständnisse abzunötigen,
die die deutschen Bischöfe stärker vom Kaiser trennen, die sie näher an
den Papst binden. Wolfger selbst wird davon wenig berührt; er hat
sich ja schon bei seinem Amtsantritt aus den Wunsch des Papstes hin
ausdrücklich als prinoops Italias bezeichnen müssen.
Das verringert die Gegensätze zwischen dem Dichter nnd seinem
Herrn. Dieser ist italienischer Fürst, jener selbst ein Italiener. Beiden
liegt dasselbe Land, liegt Friaul am Herzen. Ausschließlich dem Lande
Friaul gilt die Arbeit und Sorge der letzten Lebensjahre des großen
Patriarchen. An Friaul denkt ebenfalls in erster Linie Thomasin. Was
beide trennt, ist mehr als die völkische die geistige Herkunft. Wolfger
und Thomasin gehören verschiedenen Generationen und verschiedenen
Bildungskreisen an. Jener ist einer der großen weltfreudigen und staats-
männisch begabten Kirchenfürsten, von denen Deutschland im 12. Jahr-
hundert eine ganze Reihe hervorgebracht hat. Er ist mehr Fürst als
Priester, mehr Politiker als Theologe. Er kennt das kanonische Recht,
aber nicht als Gelehrter, sondern eben als Staatsmann, der der Waffen
kundig sein muß, die er führt. Er schätzt die weltlichen Dichter wie die
Gaukler und Possenreißer. Er nimmt es nicht gar zu strenge mit den
geistlichen, um so ernster mit den weltlichen Pflichten des Landesherrn.
Er wird Inhaber zweier Propsteien und eines Sitzes im Passauer Dom-
kapitel, ja zum Bischof gewählt, ehe er sich zum Priester weihen läßt^.
E (Anm. 7) 129.
Kalkoff (Anm. 77) 10. Außerdem begleitet den Bischof auf seinen Reisen
ein Ollue.kitnis liliu^ «piseopi. Zingerle, Reiserechnungen (Anm. 113) 17 u. ö.
 
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