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scheint ihm die Welt abg,efallen und unstaote. Auch in Friaul scheint
die feudale Ordnung zu wanken. Da rafft er sich auf und schreibt im
Winter 1215 auf 1216 seinen Welschen Gast, eine umfangreiche Tugend-
lehre in deutscher Sprache. Noch haften Erinnerungen an seine ersten
dichterischen Versuche. Sie brechen im 1. Buch des neuen Werkes
gewaltsam immer wieder durch. Dann aber hat er sie überwunden.
Alles weitere ist aus einem Guß. Es strebt nach einem Ziele: die
Menschheit zu bessern. Es will nicht zu höfischer Bildung führen, es
knüpft auch nicht an sie an. Eine eigentlich ritterliche Ethik liegt dem
Bürgersohn und Geistlichen Thomasiu fern. Ruhm ist ihm kein, Adel
nur ein bedingter Wert. Frauendienst und Kampf um des Kampfes
willen lehnt er ab. Er schreibt ein christliches Werk.
Die christliche Weltanschauung angustimscher Prägung bildet den
tragenden Grund. In diesen Rahmen spannt er seine Tugendlehre,
die im einzelnen aus christlichen wie antiken, vor allem stoischen, Quellen
gespeist wird, ohne daß je das eigentlich Christliche darunter litte. Auch
da, wo Thomasiu zu Fragen des Tag,es und der Politik Stellung nimmt,
ruht jede Äußerung auf diesen: festen Grunde. Er tritt ein für die
feudal-ständische Ordnung, deren geistliches Haupt der Papst, deren
weltliches der Kaiser ist, der allein Gott unterworfen ist und von ihm
sein Amt empfängt. Wie der Kaiser, so ist jeder Fürst Träger eines
von Gott verliehenen Amtes, das von ihm ernste Verantwortlichkeit
erheischt. Er hüte sich vor übarmuot, der ihn stürzen kann. Ebenso aber
sollen alle anderen sich vor demselben Laster hüten und in dem ihnen
von Gott angewiesenen Stande bleiben.
Dem Dichter steht im besonderen die eigentümliche Lage und der
Aufbau des Patriarchats und das Bild seines Fürsten vor Augen. Dar-
über hinaus hat er literarische Vorbilder benutzt, die Einzelheiten bei-
steuern. Er ist weder nationalbewußter Deutscher noch nationalbewußter
Italiener, weder Anhänger asketischer Lebensführung noch Humanist,
noch Verfechter hierarchischer Ansprüche. Er ist Theologe und Prediger.
Aus theologischen Einsichten und persönlicher Frömmigkeit verficht er
als Prediger ähnliche Gedanken wie als Staatsmann sein großer Landes-
herr- Wolfger von Ellenbrechtskirchen.
 
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