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Die Kölner Schule. 3

Ausprägung der Ideen und Gefühle, welche feine Zeit bewegen; und
auf diefer Bildungsftufe erft wird die Erforfchung und Würdigung eines
einzelnen Meifters möglich, erfpriefslich, nothwendig; denn fein Leben
und Wirken gewinnt wieder eine allgemeinere Bedeutung, es wird zu
einer Verkörperung des ganzen nationalen Wefens.

Diefer fubjectiven Auffaffung ftand die deutfche Malerei noch ziem-
lich ferne, als fie im Verlaufe des XIV. Jahrhunderts die Umarmung
der Architectur abfchüttelte. Vielmehr führte die Malerei jener frühen
Penode noch deutliche Spuren ihrer Herkunft mit fich, und man hat
ie deshalb auch mit dem Namen der gothifchen bezeichnet, was nur
infofern berechtigt ift, als eine dem abftracten gothifchen Formbegriffe
im Allgemeinen verwandte Gefühlsweife ihr zu Grunde lag. Im Wider-
spruche damit fleht aber einerfeits die Thatfache, dafs die Vervoll-
kommenung des Gemäldes durch das Streben nach Naturwahrheit
gleichen Schritt hält mit dem Verfalle der Gothik in den tectonifchen
Kunften •—■ zwifchen den Bedingungen ihres wechfelfeitigen Gedeihens
lomit ein ungerades Verhältnifs befteht; anderfeits das Auseinander-
gehen der einmal felbftändig gewordenen deutfchen Malerei nach
mehreren wefentlich verfchiedenen Richtungen. Doch auch die Gegen-
lätze diefer älteften Schulen verdanken noch ihre Eigentümlichkeit
nicht fowohl dem bereits gekräftigten Volksthume, als vielmehr der
Nachwirkung jener mächtigen Ideen, welche die Nation das ganze
Mittelalter hindurch beherrfchten.

Die ideale Erhebung der mittelalterlichen Kirche fand einen voll-
endeten Ausdruck in der älteren Malerfchule von Köln. Die fchlanken
Geftalten mit der zierlich gefchwungenen, gleichfam aufwärts ftreben-
den Körperhaltung, den lang herabfallenden, dichten Falten der Ge-
wandung, den weichen, ruhefeligen Gefichtsformen, dem fanften Blick,
der mehr nach Innen als nachAufsen gekehrt fcheint— getaucht in lichte,
duftige Farben und umfloffen von ftrahlendem Goldgrund — das find
keine Kinder diefer Welt, fie gehören einem befferen Jenfeits an, nach
welchem ihre Erfcheinung die Sehnfucht erwecken foll und das durch
ihre Verehrung zu gewinnen ift. Ohne gerade von dem heiteren Ge-
nufle des Dafeins abzulenken, wollen fie daffelbe blofs in ftetem Be-
züge auf das Himmlifche erhalten, und zwar auf dem einzigen Wege
duldender Nacheiferung und mächtiger Fürfprache, das heifst: durch
die Kirche. Diefer Charakter ift eigentlich in feinen Grundzügen der
früheften Epoche der Tafelmalerei im ganzen damaligen Deutfchland
gemeinfam, doch fanden fich nur am Mittelrhein die Bedingungen
einer höheren, feineren Durchbildung fo glücklich zufammen. In dem
reichen, heiligen Köln, dem deutfchen Rom, ward die Kunft gefchützt
 
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