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a I. Die erften deutfclien Malerfchulen.

von den geiftlichen Kurfürften, gefördert von einem opulenten Clerus
und gehegt durch einen eben fo frommen, wie lebensfreudigen Bürger-
ftand. Nach den fchönften Blüthen, welche diefe Malerei gerade hier
entfaltete, hat man fie richtig als die der kölnifchen Schule bezeichnet,
wenn auch der Begriff uneigentlich auf ein viel gröfseres Gebiet aus-
gedehnt zu werden pflegt. Die Perfönlichkeiten der Künftler, wie die
des gepriefenen Meifters Wilhelm , heben fich zwar nur fchwankend
und unbeftimmt vom Grunde der Schule ab; und obwohl die Maler
nachweislich bereits dem Laienftande angehörten, tragen ihre Werke
doch einen vorwiegend geiftlichen Charakter zur Schau, eine unge-
zwungene Andacht, fchwärmerifche Befchaulichkeit und holdfelige
Verklärung, wie fie feitdem von keiner Phantafie wieder erreicht wurde.
In fofern nun ihre Darftellungen den Idealen der mittelalterlichen Kirche
am nächften kommen, flehen fie noch im Brennpunkte des hieräfehi-
fchen Einfluffes.

Den Grundzug frommer Hingebung verläugnet die Kölnifche
Schule auch dann nicht, als in der erften Hälfte des. XV. Jahrhunderts
allmählich eine fchärfere Naturbeobachtung in ihr Platz griff. Hand
in Hand mit diefer fchreitet die Vervollkommnung der Malertechnik
vor, und je reicher ihre materiellen Mittel, defto weniger widerftehen
die Künftler der Verfuchung, fie zu ihren idealeren Zwecken zu ver-
wenden. Die Geftalten werden kürzer und völliger in den Formen,
die Augen erhalten mehr Sehkraft, die männlichen Heiligen namentlich
flehen fefter auf den Füfsen und find gar zuweilen von allzu derber
individueller Gefichtsbildung. Dabei waltet gleichwohl die andächtig
gefchwungenc Körperhaltung vor, namentlich in den. Frauen mit den
feinen Händen und den lieblich gerundeten Kinderköpfchen; aus ihnen
fpricht noch der ganze Zauber paradiefifcher Unfchuld. Die Haupt-
figuren erfcheinen noch immer als überirdifche Wefen, aber eine kältere
Verfländigkeit glaubt fie bereits mit allem fehmiieken zu muffen, was
hienieden auf Erden Glanz und Anfehen verleiht. Sie tragen die bunte,
für uns oft ganz abfonderliche Modetracht der höheren Stände ihrer
Zeit, fie ftrahlen von Sammet und Seide, von Goldbrocat und Ge-
fchmeide. In Ermangelung eines tieferen Ernftes und Gedankenaus-
druckes kommt ihnen dies Beiwerk fehr zu Statten, denn die Farben-
pracht der Gewänder verleiht auch kleineren Verhältniffen jene Feier-
lichkeit, deren ein Andachtsbild nicht entrathen kann. Den Höhe-
punkt diefer jüngeren kölnifchen Schule bildet der Maler des Kölner
Dombildes, Meifter Stephan Lochner. Seine Richtung führt aber
zugleich die ftreng kirchliche, idealiftifche Kunft des Mittelalters an
den äufserften Grenzpunkt, über den hinaus fie keiner Entwickelung
 
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