Die Prager Schule. C
mehr fähig ift, ohne ihren unbeugfamen Principien völlig untreu zu
werden.
Im Gegenfatze zu der kölnifchen Schule entfaltet die deutfche
Malerei des XIV. Jahrhunderts eine andere Blüthe in der Schule von
Prag. Wenn der Welten des Reiches, namentlich durch geiftlichen
Befitz aufgesogen und zerfetzt, de» Hebelpunkt des kirchlichen Ein-
fluffes in Deutfchland bildete, wenn der Rhein zur »Pfaffcngaffe« ge-
worden war, fo bot der Ollen noch den jeweiligen Kaifern compacte
lerntoricn als ergiebige Stützpunkte ihrer Macht und ihres Anfehens.
Abgefchen von den kriegerifchen Marken, aus denen dereinft zwei
deutfche Grofsmächtc herauswachfen fönten, galt dies insbefondere
von Böhmen, und bald ward es Sprichwort im Reich, dafs die Kaifer-
krone auf die böhmifche Königskrone gehöre. Als nun mit dem
Luxemburger Karl IV. zucrft ein gelehrter und kunftfmniger Furft
beide auf feinem Haupte vereinigte und den Verfuch machte, Deutfch-
land einen feften Mittelpunkt, eine würdige Hauptftadt zu fchaffen, da
ward auch der Malerei in Böhmen nicht blofs eine heimifche Stätte
bereitet, es ward ihr zugleich ein, den ftaatlichen und örtlichen Be-
dingungen entfprechender Grundzug eingeprägt.
In keinem anderen Reichslande ftand der Clerus fo fehr in Ab-
hängigkeit von dem Landesfürften, wie in dem Königreiche Böhmen,
die fem Adoptivkinde des deutfehen Staates. Die zwiefache Bevölke-
rung deffelben zeichnete ' fich zwar gleichfalls durch einen mächtigen
Zug perfönlicher Frömmigkeit aus, die religiöfen Gefühle wurden aber
durch keine übermächtige Geiftlichkcit auf ein befferes Jenfeits abge-
lenkt, fie nahmen hier eine ernftere, mitunter duftere Richtung und
fuchten nach Anwendung auf die Verhältniffe des wirklichen Hebens:
Kaifer Karl führte zwar, feiner Weltftellung gemäfs, verfchiedenartige
Einflüffe in die Malerei feines Hofes ein, wovon die Meifternamen
Thomas von Modcna und Nicolaus Wurmfer aus Strafsburg Zeug-
nifs geben — auch fcheint byzantinifcher Einflufs mit eingewirkt zu
haben — dennoch bewahrt die böhmifche Schule den einheitlichen,
localen Charakter, den man auf Dietrich von Prag und Mcifter Kunze
zurückführen will. Ihre Geftalten, nieift wuchtig und zuweilen überlebens-
grofs, zeigen Würde und Ernft; Köpfe und Hände find kräftig aus-
gebildet; breite, weiche Gewandmaffcn fliefsen um die freier bewegten
Glieder; die Färbung ift tief, in grauen Schatten abgetont und in den
Gewändern gebrochen, fo dafs ihr materieller Reiz nicht fehr zur
Geltung kommt. Die Augen find weit geöffnet und fchauen beftimmt,
zuweilen faft finfter heraus; das Beiwerk ift naturwahr behandelt. Trotz
des gemufterten Goldgrundes, aus dem fie heraustreten, fleht das Er-
mehr fähig ift, ohne ihren unbeugfamen Principien völlig untreu zu
werden.
Im Gegenfatze zu der kölnifchen Schule entfaltet die deutfche
Malerei des XIV. Jahrhunderts eine andere Blüthe in der Schule von
Prag. Wenn der Welten des Reiches, namentlich durch geiftlichen
Befitz aufgesogen und zerfetzt, de» Hebelpunkt des kirchlichen Ein-
fluffes in Deutfchland bildete, wenn der Rhein zur »Pfaffcngaffe« ge-
worden war, fo bot der Ollen noch den jeweiligen Kaifern compacte
lerntoricn als ergiebige Stützpunkte ihrer Macht und ihres Anfehens.
Abgefchen von den kriegerifchen Marken, aus denen dereinft zwei
deutfche Grofsmächtc herauswachfen fönten, galt dies insbefondere
von Böhmen, und bald ward es Sprichwort im Reich, dafs die Kaifer-
krone auf die böhmifche Königskrone gehöre. Als nun mit dem
Luxemburger Karl IV. zucrft ein gelehrter und kunftfmniger Furft
beide auf feinem Haupte vereinigte und den Verfuch machte, Deutfch-
land einen feften Mittelpunkt, eine würdige Hauptftadt zu fchaffen, da
ward auch der Malerei in Böhmen nicht blofs eine heimifche Stätte
bereitet, es ward ihr zugleich ein, den ftaatlichen und örtlichen Be-
dingungen entfprechender Grundzug eingeprägt.
In keinem anderen Reichslande ftand der Clerus fo fehr in Ab-
hängigkeit von dem Landesfürften, wie in dem Königreiche Böhmen,
die fem Adoptivkinde des deutfehen Staates. Die zwiefache Bevölke-
rung deffelben zeichnete ' fich zwar gleichfalls durch einen mächtigen
Zug perfönlicher Frömmigkeit aus, die religiöfen Gefühle wurden aber
durch keine übermächtige Geiftlichkcit auf ein befferes Jenfeits abge-
lenkt, fie nahmen hier eine ernftere, mitunter duftere Richtung und
fuchten nach Anwendung auf die Verhältniffe des wirklichen Hebens:
Kaifer Karl führte zwar, feiner Weltftellung gemäfs, verfchiedenartige
Einflüffe in die Malerei feines Hofes ein, wovon die Meifternamen
Thomas von Modcna und Nicolaus Wurmfer aus Strafsburg Zeug-
nifs geben — auch fcheint byzantinifcher Einflufs mit eingewirkt zu
haben — dennoch bewahrt die böhmifche Schule den einheitlichen,
localen Charakter, den man auf Dietrich von Prag und Mcifter Kunze
zurückführen will. Ihre Geftalten, nieift wuchtig und zuweilen überlebens-
grofs, zeigen Würde und Ernft; Köpfe und Hände find kräftig aus-
gebildet; breite, weiche Gewandmaffcn fliefsen um die freier bewegten
Glieder; die Färbung ift tief, in grauen Schatten abgetont und in den
Gewändern gebrochen, fo dafs ihr materieller Reiz nicht fehr zur
Geltung kommt. Die Augen find weit geöffnet und fchauen beftimmt,
zuweilen faft finfter heraus; das Beiwerk ift naturwahr behandelt. Trotz
des gemufterten Goldgrundes, aus dem fie heraustreten, fleht das Er-