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i8

IL Nürnberg.

den »kleinen Rath« von zwei und vierzig Mitgliedern, bei dem alle
Staatsgewalt lag. Diefem war der gröfsere Rath von »Genannten«
aus der ganzen Gemeinde untergeordnet, doch wurde derfelbe nur
in feltenen Fällen zur Berathung und Befchlufsfaffung zufammen-
berufen. Auch die acht Handwerker des kleinen Rathes nahmen
blofs formell an den Berathungen deffelben Theil; fie waren nur den
Zünften der Metzger, Bäcker, Lederer, Schmiede, Schneider, Kürfch-
ner, Tuchmacher und Bierbrauer entnommen, und der erfte und an-
gefehenfte unter ihnen unterftützte die Lofunger bei der Steuer-
erhebung und der jährlichen Rechnungslegung vor den heben Eiteren
Herrn. Dabei behielt es fein Bewenden, auch nachdem Gewerbe und
Kiinfte einen unverhältnifsmäfsigen Auffchwung genommen hatten.

Chriftoph Scheurl konnte daher 1516 mit Recht an Johann
Staupitz fchreiben: »Alles Regiment unserer Stadt und gemeinen
Nutzens fleht in Händen der, fo man Gefchlechter nennet, das fein
nun folche Leut', dero Ahnen und Urahnen vor langer Zeit her auch
im Regiment geweft und über uns geherrfcht haben«. *) Und Alvise
Mocenigo fagt in feiner Schlufsrelation über feinen Aufenthalt an
dem Hofe Karls V. 1548: Nürnberg werde im Gegenfatze zu allen
anderen deutfchen Reichsftädten von adeligen Gefchlechtern regiert,
deren dort blofs 28 beftünden, und er fügt hinzu: »diefe Stadt geniefst
den Ruf, fich beffer zu regieren, als jede andere in Deutfchland, wes-
halb fie auch von Vielen das Venedig Deutfchlands genannt wird« --
wohl das höchfte Lob im Munde eines venezianifchen Staatsmannes.'-)
Gleich den Nobili von Venedig befolgten aber auch die Patrizier
Nürnbergs jenen Grundfatz, der einer herrfchenden Klaffe allein ihre
Macht auf die Dauer fiebert und der in dem Satze gipfelt: Strenge
gegen fich felbft und Milde gegen die Regierten. Wohl machte es
Auffehen in der ganzen Welt, als im Jahre 1469 Nicolaus Muffel,
das Haupt einer der angefehenften Familien, geehrt von Papft und
Kaifer, zur Zeit erfter Lofunger und Erfter im Rath, wegen Diebftahls
an dem gemeinen Schatze der Stadt angeklagt und nach kurzem
Proceffe gleich dem gemeinften Verbrecher am Galgen aufgehängt

1) Die Chroniken der fränk. Städte,
Nürnberg I und V, 791.

2) Fontes rerum Austriacarum, Diplo-
mataria XXX, 69 ff. Schon 1506 fchreibt
Chriftoph Scheurl: »Unde etiam civitati
magnae accedunt divitiae, et tantum apud
Cermanos nomen: quantum Venetiis apud
Italos. Unde etiam Venetia Teutonica co-

gnominata est.« Libellus de laudibus Ger-
maniae. Dafelbft auch die Nachricht, es
gebe in Venedig ein Sprüchwort: alle Städte
in Deutfchland feien blind, nur Nürnberg
fehe auf Einem Auge: »Germaniae civitates
cecas esse: Norimbergam vero monoculam«
— die Ulrich von Hütten in feinem Send-
fchreiben an Pirkheimer 1518 wiederholt.
 
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