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Hartmann Schedel. I 5 I

antiken Formen und Idealen nach feinen eigenen Federzeichnungen
beurtheilen. Diefe entsprechen jenen gewifs eben fo wenig, wie etwa
feine nackten Figuren der Summe feiner anatomifchen Kenntniffe.
Von der gedanklichen Vorftellung bis zur bildlichen Geftaltung ift gar
ein weiter Weg; nur langfam hat die Kunft denfelben zurückgelegt,
und am wenigften konnte ihr eine ungelenke Gelehrtenhand nur fo
im Fluge folgen. Schedels Begriffe von der Antike muffen bei aller
Urfprünglichkeit ganz unvergleichlich beffer gewefen fein, als feine
Zeichnungen. Er hatte ja mit eigenen Augen und zugleich mit warmem
Intereffe antike Bildwerke angefchaut, die damals in Padua und Um-
gebung noch gewöhnlicher vorkamen; er kannte ficher auch die
Sammlung von Gypsabgüffen, welche Andrea Squarcione in feiner
Werkftätte angelegt hatte. Der Gebrauch, welchen deffen Adoptiv-
fohn, der grofse Mantegna, davon zu machen verftand, mufste ja
jedem die Augen öffnen. Und Hartmann Schedel war Zeuge davon.
Irgend einen Abklatfch nach der Antike nahm er wohl felbft mit in
die Heimath; manche Abbildung von Künftlerhand und manchen
italienifchen Kupferftich bewahrte er mit feinem Schatze von gefchrie-
benen und gedruckten Büchern, die nachmals in den Befitz des Herzogs
Albrecht V. von Baiern gelangten.

Hartmann Schedel ift fomit der frühefte Vorläufer Winkelmanns
und unferer claffifchen Archäologen. Seine Heimkehr nach Nürnberg
erfolgte um das Jahr 14804). Er bewohnte dafelbft fein Haus »unter
der Veften«, in der nächften Nachbarfchaft Wolgemuts. Am 30. No-
vember 1489 hatte Dürer feine Lehrzeit bei diefem vollendet und im
April des folgenden Jahres gieng er auf Wanderfchaft. Kaum aber
hatte er Nürnberg den Rücken gekehrt, fo vollzog fich dafelbft die
erfte nachweisbare Annäherung der claffifchen Gelehrfamkeit an die
deutfche Kunft. Im Jahre 1491 vereinigte fich Michel Wolgemut mit
Doctor Hartmann Schedel zur llluftrierung der »Neuen Weltchronik«.
Der 56jährige Maler trat dadurch nothwendig in einen regen Verkehr
mit dem nur um 6 Jahre jüngeren Gelehrten. Der berühmte Freund-
fchaftsbund zwifchen Dürer und Wilibald Pirkheimer hätte fomit eine
Art Vorfpiel in dem Verhältniffe zwifchen Wolgemut und Hartmann
Schedel, und in das Haus des letzteren wird der frühefte Berührungs-
punkt der im übrigen Deutfchland noch ftreng gefchiedenen Gelehrten-
und Künftlerkreife zu verfetzen fein; weiter zurück dürfte' fich die
Anknüpfung fchwerlich verfolgen laffen. Nicht in dem gemeinfamen

1) 1481 erfcheint Hartmann Schedel das 1 Journal XV, 25 ff.
erftemal in den Bürgerbüchern; v. Murr,
 
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