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X. Der Wettftreit mit Jacopo dei Barbari.
Lucian, nach welcher der gallifche Herakles, der eigentlich gleichbe-
deutend fei mit dem Hermes der Griechen, durch eine aus feinem
Munde gehende und in die Ohren der Zuhörer dringende goldene
Kette die Menfchen feffele und umviderftehlich nach fich ziehe — ein
Sinnbild feiner Beredfamkeit. Dürer hat nun den Charakter und die
Stellung jener Schedel'fchen Figur faft völlig beibehalten, nur wendet
Mercur, in den Wolken fchwebend, den Kopf fchreiend nach rück-
wärts zu der an feine Zunge gefeffelten Gruppe, beftehend aus einem
Weibe, einem Krieger, einem Gelehrten und einem Bürger. Mancherlei
in diefer Zeichnung Dürers, z. B. der Profilkopf der zuletzt genannten
äufserften Figur erinnert an die Formgebung Jacopo de' Barbaris. In
der linken Ecke oben ift fodann mit zierlichen griechifchen Uncialen,
wenn auch nicht ganz correct, eine Reihe von Beinamen des Mercur
angefchrieben, die fich ziemlich ebenfo bei dem im Jahre 1505 zuerft
gedruckten mythologifchen Tractate des Cornutus, finden l). Zu der-
felben Zeit und unter den gleichen Einflüffen entftand noch eine an-
dere colorierte Federzeichnung Dürers im Kunftbuche der Ambrafer
Sammlung: Arion auf dem Rücken des Delphines liegend und deffen
Leib mit den Beinen umklammernd2). Auch zu diefem Gegenftande
findet fich ein kleiner, ganz einfacher Entwurf mit der Feder, und
offenbar von Schedels Hand gezeichnet in jenem Codex; desgleichen
eine Skizze von Apollo und Diana mit einem Jagdhunde und Centauren-
kämpfe, ftark verzeichnet, offenbar ein mifslungener Verfuch nach
einem antiken Relief. Hartmann Schedel war fomit ganz der geeig-
nete Mann, um die Aufträge des Celtes zur Illuftrierung feiner Bücher
zu beforgen.
Auch mit Barbari fcheint Schedel allem nach befreundet ge-
wefen zu fein. Deffen längerer Aufenthalt in Nürnberg mag zur
Fertigung diefer perfönlichen Verhältniffe beigetragen haben. Ob alle
und welche von den heute noch in deutfchen Sammlungen vorhan-
denen Gemälden Jakobs damals entftanden fein mögen, läfst fich bis-
her nicht beftimmen. Die Zeitfolge feiner Werke ift noch weniger
bekannt, als diefe felbft, da blofs das merkwürdige, miniaturartig aus-
geführte Stillleben in der Augsburger Galerie nebft dem vollen Namen
1) Ein fpäterer Holzfchnitt nach diefer
Zeichnung auf dem Titel von: Apiauus u.
Amanlius, Infcriptiones sacrosanctae vetufta-
tis, Ingolftadt 1534. Eine läufchende Copie
nach der Zeichnung im Britifchen Mufeum;
Hausmann a. a. O. 112, Nr. 152.
2) Mit der Unterfchrift: Pisce super
curvo veclus cantabat Orion. Geftochen
bei O. Jahn a. a. O. Befchrieben von
Freih. v. Sacken, Mittheil. d. k. k. Central-
commifüon VIII, 123. Eine ganz ähnliche
Zeichnung mit der Jahreszahl 151g befindet
fich in der Kunfthallc zu Hamburg, ver-
muthlicli Copie.
X. Der Wettftreit mit Jacopo dei Barbari.
Lucian, nach welcher der gallifche Herakles, der eigentlich gleichbe-
deutend fei mit dem Hermes der Griechen, durch eine aus feinem
Munde gehende und in die Ohren der Zuhörer dringende goldene
Kette die Menfchen feffele und umviderftehlich nach fich ziehe — ein
Sinnbild feiner Beredfamkeit. Dürer hat nun den Charakter und die
Stellung jener Schedel'fchen Figur faft völlig beibehalten, nur wendet
Mercur, in den Wolken fchwebend, den Kopf fchreiend nach rück-
wärts zu der an feine Zunge gefeffelten Gruppe, beftehend aus einem
Weibe, einem Krieger, einem Gelehrten und einem Bürger. Mancherlei
in diefer Zeichnung Dürers, z. B. der Profilkopf der zuletzt genannten
äufserften Figur erinnert an die Formgebung Jacopo de' Barbaris. In
der linken Ecke oben ift fodann mit zierlichen griechifchen Uncialen,
wenn auch nicht ganz correct, eine Reihe von Beinamen des Mercur
angefchrieben, die fich ziemlich ebenfo bei dem im Jahre 1505 zuerft
gedruckten mythologifchen Tractate des Cornutus, finden l). Zu der-
felben Zeit und unter den gleichen Einflüffen entftand noch eine an-
dere colorierte Federzeichnung Dürers im Kunftbuche der Ambrafer
Sammlung: Arion auf dem Rücken des Delphines liegend und deffen
Leib mit den Beinen umklammernd2). Auch zu diefem Gegenftande
findet fich ein kleiner, ganz einfacher Entwurf mit der Feder, und
offenbar von Schedels Hand gezeichnet in jenem Codex; desgleichen
eine Skizze von Apollo und Diana mit einem Jagdhunde und Centauren-
kämpfe, ftark verzeichnet, offenbar ein mifslungener Verfuch nach
einem antiken Relief. Hartmann Schedel war fomit ganz der geeig-
nete Mann, um die Aufträge des Celtes zur Illuftrierung feiner Bücher
zu beforgen.
Auch mit Barbari fcheint Schedel allem nach befreundet ge-
wefen zu fein. Deffen längerer Aufenthalt in Nürnberg mag zur
Fertigung diefer perfönlichen Verhältniffe beigetragen haben. Ob alle
und welche von den heute noch in deutfchen Sammlungen vorhan-
denen Gemälden Jakobs damals entftanden fein mögen, läfst fich bis-
her nicht beftimmen. Die Zeitfolge feiner Werke ift noch weniger
bekannt, als diefe felbft, da blofs das merkwürdige, miniaturartig aus-
geführte Stillleben in der Augsburger Galerie nebft dem vollen Namen
1) Ein fpäterer Holzfchnitt nach diefer
Zeichnung auf dem Titel von: Apiauus u.
Amanlius, Infcriptiones sacrosanctae vetufta-
tis, Ingolftadt 1534. Eine läufchende Copie
nach der Zeichnung im Britifchen Mufeum;
Hausmann a. a. O. 112, Nr. 152.
2) Mit der Unterfchrift: Pisce super
curvo veclus cantabat Orion. Geftochen
bei O. Jahn a. a. O. Befchrieben von
Freih. v. Sacken, Mittheil. d. k. k. Central-
commifüon VIII, 123. Eine ganz ähnliche
Zeichnung mit der Jahreszahl 151g befindet
fich in der Kunfthallc zu Hamburg, ver-
muthlicli Copie.