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XI. Der zweile Aufenthalt in Venedig.
So fremdartig uns auch heutezutage die Schreibweife Dürers er-
fcheinen mag, im Vergleiche mit anderen gleichzeitigen Briefen belehrt
fie uns doch, dafs Dürer die damals noch fo ungelenke Mutterfprache
gar gefchickt zu handhaben weifs. Er bedient fich ihrer mit einer
Freiheit und Sicherheit, wie wenige feiner Zeitgenoffen, auch die Ge-
lehrten nicht ausgenommen.
Nun folgt leider eine Lücke in der Folge der Briefe bis zum
28. Auguft 1506. Inzwifchen ift Dürer ganz aufgethaut unter dem
italienifchen Himmel. Er fcheint fich aufserordentlich wohl zu fühlen
in Venedig und fchiebt daher den Zeitpunkt der Abreife fortwährend
weiter hinaus. Er hat auch etwas Italienifch gelernt, venetianifchen
Dialekt, den er in der Schreibung wunderlich mit feinem Bischen
Latein vermengt. Damit verfpottet er nun den Freund, der fich auf
feine ftaatsmännifchem Erfolge etwas zu gute that:
»AI grandiffimo primo uomo del mondo! II voßro servitore, lo
Jchiavo Alberto Dürer dice falute al fuo magnifico Mcjfcr Wilibaldo
Pirkheimer. Mia fede! io udii %>olontieri con grande piacere la voflra
fanita e grande onore. Jo mi meraviglio come e pojfibüe ßare un uomo
covie Voi contra ianti fapientiffimi tiranni, buh', milites —■ non altro modo
nifi per und grazia di Dio! Quando io leffi la voflra lettera di queste
ftrane beßiacce io ebbi tanta paura, eparvemi una grande cofa '), aber ich
halte dafür, dafs Euch die Schottifchen auch gefürchtet haben, denn
Ihr feht auch wild aus, insbefondere am Feiertage, wenn Ihr den
Schritt Hüpferle geht« — dazu denke man fich den damals fchon
ziemlich beleibten Rathshcrrn! Pirkheimer hatte nämlich im Vorjahre
auf dem Reichstage zu Köln die Händel der Vaterftadt mit dem ge-
fürchteten Raubritter Konz Schott beigelegt. Weniger glücklich war
lieb, aber dergleichen Brieff acht ich höher,
weil das Golt noch in der Welt, aber der
Dürer eigenen Handfehreiben würde man
fo bald nicht finden, wie den zweien Cardinal
Spinell und Urfini von mir dergleichen be-
gerrt. Das melt ich allein darumb, auff
das gefpürt wird mit was affection ich dem
herrn Bruder zugethan bin. Actum Nürn-
berg den 3. July An. 1624. Hans Ira-
hoff der Acltere«. Es ift Hans III. der
jüngfte Sohn Wilibalds, des berühmten
Sammlers, geb. 1563 f 1629. Gefchloffen
find diefe Briefe Dürers immer mit einem
Siegel, das fein Wappenfchild mit der of-
fenen Thüre und darüber ein A und T
zeigt, welche Buchftabcn Campe irrthüm-
lich für das obere Ende einer Staffelei
nahm. Reliquien, Titelblatt.
1) An den gröfsten und erften Mann
der Welt! Euer Diener, der Knecht Al-
brecht Dürer, fagt Heil feinem fürnehmen
Herrn Wilibald Pirkheimer. Meiner Treu!
ich vernahm gerne und mit grofsem Ver-
gnügen Euere Gefundheit und grofse Ehr'.
Mich wundert, wie es möglich ift, dafs ein
Mann wie Ihr Stand halten kann gegen fo
viele geriebene Tyrannen, Raufbolde, Sol-
daten auf andere Weife, wenn nicht durch
eine Gnade Gottes. Als ich Eueren Brief
las über diefe gräulichen Fratzen, erfafste
mich grofse Furcht und es fchien mir ein
gar gewaltig Ding.
XI. Der zweile Aufenthalt in Venedig.
So fremdartig uns auch heutezutage die Schreibweife Dürers er-
fcheinen mag, im Vergleiche mit anderen gleichzeitigen Briefen belehrt
fie uns doch, dafs Dürer die damals noch fo ungelenke Mutterfprache
gar gefchickt zu handhaben weifs. Er bedient fich ihrer mit einer
Freiheit und Sicherheit, wie wenige feiner Zeitgenoffen, auch die Ge-
lehrten nicht ausgenommen.
Nun folgt leider eine Lücke in der Folge der Briefe bis zum
28. Auguft 1506. Inzwifchen ift Dürer ganz aufgethaut unter dem
italienifchen Himmel. Er fcheint fich aufserordentlich wohl zu fühlen
in Venedig und fchiebt daher den Zeitpunkt der Abreife fortwährend
weiter hinaus. Er hat auch etwas Italienifch gelernt, venetianifchen
Dialekt, den er in der Schreibung wunderlich mit feinem Bischen
Latein vermengt. Damit verfpottet er nun den Freund, der fich auf
feine ftaatsmännifchem Erfolge etwas zu gute that:
»AI grandiffimo primo uomo del mondo! II voßro servitore, lo
Jchiavo Alberto Dürer dice falute al fuo magnifico Mcjfcr Wilibaldo
Pirkheimer. Mia fede! io udii %>olontieri con grande piacere la voflra
fanita e grande onore. Jo mi meraviglio come e pojfibüe ßare un uomo
covie Voi contra ianti fapientiffimi tiranni, buh', milites —■ non altro modo
nifi per und grazia di Dio! Quando io leffi la voflra lettera di queste
ftrane beßiacce io ebbi tanta paura, eparvemi una grande cofa '), aber ich
halte dafür, dafs Euch die Schottifchen auch gefürchtet haben, denn
Ihr feht auch wild aus, insbefondere am Feiertage, wenn Ihr den
Schritt Hüpferle geht« — dazu denke man fich den damals fchon
ziemlich beleibten Rathshcrrn! Pirkheimer hatte nämlich im Vorjahre
auf dem Reichstage zu Köln die Händel der Vaterftadt mit dem ge-
fürchteten Raubritter Konz Schott beigelegt. Weniger glücklich war
lieb, aber dergleichen Brieff acht ich höher,
weil das Golt noch in der Welt, aber der
Dürer eigenen Handfehreiben würde man
fo bald nicht finden, wie den zweien Cardinal
Spinell und Urfini von mir dergleichen be-
gerrt. Das melt ich allein darumb, auff
das gefpürt wird mit was affection ich dem
herrn Bruder zugethan bin. Actum Nürn-
berg den 3. July An. 1624. Hans Ira-
hoff der Acltere«. Es ift Hans III. der
jüngfte Sohn Wilibalds, des berühmten
Sammlers, geb. 1563 f 1629. Gefchloffen
find diefe Briefe Dürers immer mit einem
Siegel, das fein Wappenfchild mit der of-
fenen Thüre und darüber ein A und T
zeigt, welche Buchftabcn Campe irrthüm-
lich für das obere Ende einer Staffelei
nahm. Reliquien, Titelblatt.
1) An den gröfsten und erften Mann
der Welt! Euer Diener, der Knecht Al-
brecht Dürer, fagt Heil feinem fürnehmen
Herrn Wilibald Pirkheimer. Meiner Treu!
ich vernahm gerne und mit grofsem Ver-
gnügen Euere Gefundheit und grofse Ehr'.
Mich wundert, wie es möglich ift, dafs ein
Mann wie Ihr Stand halten kann gegen fo
viele geriebene Tyrannen, Raufbolde, Sol-
daten auf andere Weife, wenn nicht durch
eine Gnade Gottes. Als ich Eueren Brief
las über diefe gräulichen Fratzen, erfafste
mich grofse Furcht und es fchien mir ein
gar gewaltig Ding.