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286 XII. Die grofsen Gemäkle.

Dürer aber auch eines ganzen Jahres, um ein gröfseres Gemälde zu
feiner Befriedigung zu vollenden.

Zunächft befchäftigte ihn wieder das Problem der menfchlichen
Anatomie. Seit der Vollendung feines Kupferftiches, Adam und Eva,
im Jahre 1504 hatte er in Venedig beffere Gelegenheit gefunden den
nackten Menfchen zu ftudieren. Insbefondere für den weiblichen
Körperbau boten fich ihm dafelbft fchönere Modelle. Dürer zeichnete
ein folches, in ganzer Figur von rückwärts gefehen in der ausge-
ftreckten Linken die Kappe des Malers haltend, in der gewohnten,
venetianifchen Art mit dem Pinfel auf das blaue Ankerpapier. Der
Hintergrund ift dunkel angelegt. Der Act zeigt fehr gute Ver-
hältniffe. B. Hausmann erwarb die mit 1506 acht bezeichnete Studie
von Böhm in Wien. Der vorgefetzte rechte Fufs und der ausge-
ftreckte Arm laffen vermuthen, dafs Dürer dabei bereits an die lebens-
grofse Eva feines Gemäldes dachte. Mehrere eigentliche Studien zu
diefer Eva theils auch in Clairobfcur, theils in Federzeichnung aus
den Jahren 1506 und 1507 befinden fich in London, im Britifchen
Mufeum '). Insbefondere wiederholte Dürer den linken Arm mit dem
Apfel; ein folcher ift auch im Befitze des H. Alfred von Franck in
Graz, datiert von 1507 auf dem venetianifchen Papier etwa in drei-
viertel Lebensgröfse. Auch italienifche Kunftwerke mögen auf Dürers
neue Auffaffung von Adam und Eva Einflufs geübt haben. So zeigen
z. B. die beiden Standbilder von Antonio Bregni, genannt Rizzi, im
Hofe des Dogenpalaftes gegenüber der Riefentreppe in Formen und
Empfindung gerade dort Analogien mit Dürers Gemälde, wo dasfelbe
von dem älteren Kupferftiche abweicht, z. B. in der fchlankeren,
fpindelförmigen Geftalt der Eva, in dem emporblickenden Adam mit
geöffneten Lippen, was immerhin auf einen, wenn auch nur mittel-
baren Einflufs jener Marmorbilder fchliefsen läfst.

Das Doppelbild Dürers befindet fich gegenwärtig in der Galerie
Pitti zu Florenz. Alte Copien darnach befitzen die Mufeen zu Madrid
und zu Mainz. Obwohl nur diefe Copien mit Dürers Namen und
der Jahreszahl 1507 bezeichnet find, fo verdient Sandrarts Nachricht,
dafs das Original in jenem Jahre gemalt worden fei, doch vollfte
Glaubwürdigkeit. Es befand fich das XVI. Jahrhundert hindurch auf
dem Nürnberger Rathhaufe und kam von dort in die Kunftkammer
Kaiier Rudolfs IL 2)

1) Waagen, Treäsures of Art I. 233. I Adam und Eva von Albrecht Dürern«.
B. Hausmann Nr. 155 11. 156. 1 Berichte des Wiener Alterthumsvereins

2) In dem Verzeichniffe derfelben er-
wähnt: »Zwo fchöne grofse Taffein, darauf

1864, VII. 109. Das Mainzer Exemplar ift
eine, vermuthlich von Juvenel angefertigte
 
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