EINLEITUNG:
Wesen, Ursprung, Form des Dialogs.
Der Dialog ist — auf die einfachste Formel gebracht — nichts
mehr als ein Gespräch 4).
Das Gespräch als solches kann belanglos, nichtssagend, nicht
notwendig sein. Der Dialog im Drama ist mit einer Erörterung ver-
bunden, trägt Zweck und Absicht und hat damit seine Aufgabe1 2).
Die erste Reife erhielt der Dialog bei den Griechen. Homer liebte
es, statt zu berichten, den auftretenden Personen das Wort zu lassen.
Wenn wir die früheste Stufe des Epos betrachten, so stellen wir fest,
daß dort schon Rede und Gegenrede gewechselt wurde — und so-
mit der rein dramatische Zug in der primitivsten Art gegeben war.
Einen regelrechten Dialog können wir in Deutschland in den frühen
lateinisch-deutschen Osterspielen wahrnehmen, die die Grundlage
der sich mit der Zeit entwickelten Passionsspiele bildeten. Die Keime
des Dialogs lagen in dem dramatisch angelegten Ritual der katho-
lischen Kirche, die eine große Vorliebe für Wechselgesänge bekun-
dete 3 4).
Der Ursprung des Dialogs wurde in einer geistreichen Erklä-
rung in den Dichter selbst gelegt, der ihn formt, ihm Ausdruck seiner
Gedanken verleiht, — er liegt in der Tiefe einer inneren Vorstel-
lung begründet, die das Wesen des Eros ausmacht. Mit dem Ein-
setzen des Eros sucht der Dichter das Wesen künstlerisch und phi-
losiphisch zu erfahren. Scholz verdichtet diese Gedanken zu fol-
gendem Aphorismus4):
Diderot, ein Meister des Dialogs, schreibt einmal seiner Freun-
din, daß er aller Bewunderung errege durch den Geist und die Be-
redsamkeit seiner Conversationen, und daß er das nur ihr zu ver-
danken habe. Schon durch Plato wurde diese Auffassung gewisser-
maßen zur Theorie erhoben, wenn er die Gesprächskunst seines Leh-
1) Siehe hierzu Hirzel: Der Dialog, ein literarischer Versuch.
2) Adam Müller: „Zu einem wahren Gespräch gehören gewisse Er?
fordernisse, die sich, zumal in unserer Zeit, seltener zusammenfinden, als man
denken sollte. Zuvörderst zwei durchaus verschiedene Sprecher, die einander
geheimnisvoll und unergründlich sind.“
3) Vergl. Froning: Das Drama des Mittelalters.
4) Scholz: Die Gedanken und die Gefühle des Mannes, sein Vorstellen
und sein inneres Sprechen sind so tief, so oft, so nahe mit der Frau be?
schäftigt, daß die Frau wie eine zweite Seele in ihm lebt. Er hört sich mit ihr
sprechen, sieht sich und sie. Hier, scheint mir, liegt der Ursprung des Dialogs.
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Wesen, Ursprung, Form des Dialogs.
Der Dialog ist — auf die einfachste Formel gebracht — nichts
mehr als ein Gespräch 4).
Das Gespräch als solches kann belanglos, nichtssagend, nicht
notwendig sein. Der Dialog im Drama ist mit einer Erörterung ver-
bunden, trägt Zweck und Absicht und hat damit seine Aufgabe1 2).
Die erste Reife erhielt der Dialog bei den Griechen. Homer liebte
es, statt zu berichten, den auftretenden Personen das Wort zu lassen.
Wenn wir die früheste Stufe des Epos betrachten, so stellen wir fest,
daß dort schon Rede und Gegenrede gewechselt wurde — und so-
mit der rein dramatische Zug in der primitivsten Art gegeben war.
Einen regelrechten Dialog können wir in Deutschland in den frühen
lateinisch-deutschen Osterspielen wahrnehmen, die die Grundlage
der sich mit der Zeit entwickelten Passionsspiele bildeten. Die Keime
des Dialogs lagen in dem dramatisch angelegten Ritual der katho-
lischen Kirche, die eine große Vorliebe für Wechselgesänge bekun-
dete 3 4).
Der Ursprung des Dialogs wurde in einer geistreichen Erklä-
rung in den Dichter selbst gelegt, der ihn formt, ihm Ausdruck seiner
Gedanken verleiht, — er liegt in der Tiefe einer inneren Vorstel-
lung begründet, die das Wesen des Eros ausmacht. Mit dem Ein-
setzen des Eros sucht der Dichter das Wesen künstlerisch und phi-
losiphisch zu erfahren. Scholz verdichtet diese Gedanken zu fol-
gendem Aphorismus4):
Diderot, ein Meister des Dialogs, schreibt einmal seiner Freun-
din, daß er aller Bewunderung errege durch den Geist und die Be-
redsamkeit seiner Conversationen, und daß er das nur ihr zu ver-
danken habe. Schon durch Plato wurde diese Auffassung gewisser-
maßen zur Theorie erhoben, wenn er die Gesprächskunst seines Leh-
1) Siehe hierzu Hirzel: Der Dialog, ein literarischer Versuch.
2) Adam Müller: „Zu einem wahren Gespräch gehören gewisse Er?
fordernisse, die sich, zumal in unserer Zeit, seltener zusammenfinden, als man
denken sollte. Zuvörderst zwei durchaus verschiedene Sprecher, die einander
geheimnisvoll und unergründlich sind.“
3) Vergl. Froning: Das Drama des Mittelalters.
4) Scholz: Die Gedanken und die Gefühle des Mannes, sein Vorstellen
und sein inneres Sprechen sind so tief, so oft, so nahe mit der Frau be?
schäftigt, daß die Frau wie eine zweite Seele in ihm lebt. Er hört sich mit ihr
sprechen, sieht sich und sie. Hier, scheint mir, liegt der Ursprung des Dialogs.
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