sich nur in wenigen Worten oder kurzen Sätzen breitmachte. Der
naturalistische Dialog erfaßte nicht nur das Milieu, nicht nur die
Menschen, sondern auch die Luft, die Atmosphäre, die alles um-
hüllt, den ganzen Lebenskreis des Dargestellten umreißend, oft
weich, verschwebend, immer aber das Charakteristische, das Einma-
lige planvoll durchdringend. Die Interpunktion innerhalb natura-
listischer Dialoge war so angelegt, daß jede Erwartung erhöht wird.
Die Dialogführung selbst ist meist aus dem inhaltlich Gegebenen
des Stoffgebietes zu erklären.
Ich wählte Hauptmann vorzüglich zur Untersuchung, weil mit
ihm der Naturalismus seinen Höhepunkt erhielt, weil an seinem
Werk sich die Dialogführung am besten analysieren ließ. Er ent-
sprach allen Bedingungen des Naturalismus, während bei seinen
Zeitgenossen diese oder jene Merkmale zum Nachteil anderer be-
tont wurden. Bei Hirschfeld war alles im Dialog nur Exposition.
Wenn er auch die Charaktere scharf zeichnete, so arteten seine Dia-
loge sehr oft ins Triviale aus, z. B. die bestätigende Antwort eines
Künstlers einem von Beethoven begeisternden Mädchen in „Die
Mütter“: Ja, der Mann hat entschieden ’ne ausgesprochene Bega-
bung gehabt“ — oder wird der Dialog rührselige Sentimentalität
(Pauline, der junge Goldner, Mieze Maria). Rosmers ausgedehnte
theoretisierende Dialoge sind zu sehr naturalistischer Stilderbheit
verhaftet, Otto Ernst verzerrt, übertreibt; sein Dialog ist zu sehr
Predigt, Vortrag, Feuilleton. Hartlebens Dialoge, die eine, unge-
meine Plauderkunst verraten, sind mehr zum Lesen als zum Hören.
Gerade bei ihm machen sich die Nachteile naturalistischer Dialoge
sehr gut bemerkbar, die beweisen, daß alles Addition, Häufung statt
Potenzierung ist. Hauptmann erkannte sehr früh, daß die Dik-
tion des Naturalismus nicht durchgängig im Dialog nach einem
festen Schema durchzuführen ist und man im Gegensatz zur jewei-
ligen Anforderung nicht immer platt und alltäglich bleiben konnte.
Die ungeschickte Sprache, die für eine Gestalt wie Käthe genügt,
war für Johannes Vockerat verfehlt, und es war schließlich doch so,
daß man nach und nach ins Absurde abglitt, daß das Pathologische
allmählich ein notwendiger Bestandteil naturalistischer Kunst ge-
worden war. Die mechanische Wiedergabe feinster Mosaikarbeit
entsprach nicht deutschem Wesen und Schauen. Der deutsche Na-
turalismus mußte sich umwandeln in eine Ausdruckskunst im Sinne
Dürers, „die Wirklichkeit sich verarbeiten in Phantasie und Ge-
fühlsleben“ 87).
Stilübergänge und Zwischenformen.
Schon im „Florian Geyer“ versuchte Gerhart Hauptmann im
Dialog sich vom Naturalismus frei zu machen. Die V/andlung war
allein schon durch den Stoff bedingt, wurde doch zum ersten Mal
87) E. A. Boucke: In Grundzüge der Deutschkunde, „Der Prosastil“.
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naturalistische Dialog erfaßte nicht nur das Milieu, nicht nur die
Menschen, sondern auch die Luft, die Atmosphäre, die alles um-
hüllt, den ganzen Lebenskreis des Dargestellten umreißend, oft
weich, verschwebend, immer aber das Charakteristische, das Einma-
lige planvoll durchdringend. Die Interpunktion innerhalb natura-
listischer Dialoge war so angelegt, daß jede Erwartung erhöht wird.
Die Dialogführung selbst ist meist aus dem inhaltlich Gegebenen
des Stoffgebietes zu erklären.
Ich wählte Hauptmann vorzüglich zur Untersuchung, weil mit
ihm der Naturalismus seinen Höhepunkt erhielt, weil an seinem
Werk sich die Dialogführung am besten analysieren ließ. Er ent-
sprach allen Bedingungen des Naturalismus, während bei seinen
Zeitgenossen diese oder jene Merkmale zum Nachteil anderer be-
tont wurden. Bei Hirschfeld war alles im Dialog nur Exposition.
Wenn er auch die Charaktere scharf zeichnete, so arteten seine Dia-
loge sehr oft ins Triviale aus, z. B. die bestätigende Antwort eines
Künstlers einem von Beethoven begeisternden Mädchen in „Die
Mütter“: Ja, der Mann hat entschieden ’ne ausgesprochene Bega-
bung gehabt“ — oder wird der Dialog rührselige Sentimentalität
(Pauline, der junge Goldner, Mieze Maria). Rosmers ausgedehnte
theoretisierende Dialoge sind zu sehr naturalistischer Stilderbheit
verhaftet, Otto Ernst verzerrt, übertreibt; sein Dialog ist zu sehr
Predigt, Vortrag, Feuilleton. Hartlebens Dialoge, die eine, unge-
meine Plauderkunst verraten, sind mehr zum Lesen als zum Hören.
Gerade bei ihm machen sich die Nachteile naturalistischer Dialoge
sehr gut bemerkbar, die beweisen, daß alles Addition, Häufung statt
Potenzierung ist. Hauptmann erkannte sehr früh, daß die Dik-
tion des Naturalismus nicht durchgängig im Dialog nach einem
festen Schema durchzuführen ist und man im Gegensatz zur jewei-
ligen Anforderung nicht immer platt und alltäglich bleiben konnte.
Die ungeschickte Sprache, die für eine Gestalt wie Käthe genügt,
war für Johannes Vockerat verfehlt, und es war schließlich doch so,
daß man nach und nach ins Absurde abglitt, daß das Pathologische
allmählich ein notwendiger Bestandteil naturalistischer Kunst ge-
worden war. Die mechanische Wiedergabe feinster Mosaikarbeit
entsprach nicht deutschem Wesen und Schauen. Der deutsche Na-
turalismus mußte sich umwandeln in eine Ausdruckskunst im Sinne
Dürers, „die Wirklichkeit sich verarbeiten in Phantasie und Ge-
fühlsleben“ 87).
Stilübergänge und Zwischenformen.
Schon im „Florian Geyer“ versuchte Gerhart Hauptmann im
Dialog sich vom Naturalismus frei zu machen. Die V/andlung war
allein schon durch den Stoff bedingt, wurde doch zum ersten Mal
87) E. A. Boucke: In Grundzüge der Deutschkunde, „Der Prosastil“.
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