an, ihm fehlte jede Dramatik. Er war der phonographische Ab-
klatsch des Alltagsgespräch, das bis in die feinsten Details mit dem
hellhörigsten Ohr aufgenommen wurde. Er gab eine lallende, stok-
kende Sprache, umso mehr, als meist das Stoffgebiet der Dramen
den ärmlichsten Volkskreisen entnommen wurde, eine Sprache, die
bald stockt, bald sich überschlägt, überhäuft mit angefangenen —
nie durchgeführten Sätzen, mit Anakoluthen, Dialoge, die, da die
Handlung auf ein Minimum begrenzt war, ziellos, absichtslos, nicht
aufbauend waren. Wegfall des Monologs, Wegfall des Beiseite,
Einführung der Intervalltechnik, mehr und mehr aufkommendes
Eindringen der Kleinmalerei bedingten den Sekundenstil des Dia-
logs, der sich vornehmlich aus einer fortlaufenden Reihe von
Augenblicksbildern, Idiotismen und Provinzialismen zusammensetzt.
Das Drama war nur reine Zustandsschilderung, das nur äußerlich
durch Dialoge dramatisch aufgelockert war; es war nicht mehr als
eine neue Form, die novellistische Erzählung bis zur höchsten un-
mittelbaren Anschaulichkeit zu treiben (Meister Oelze). Der Dialog
wogt hin und her, kommt zufällig vom Hundertsten ins Tausendste,
fällt wieder ins Alte zurück, ein ewiger Kreislauf eines engsten
Wirklichkeitsausschnittes einer engst begrenzten Welt. Reportage
in der Schilderung von Menschen und Situationen, — Situationen,
die sich in Dialogen entfalten sollen. Die charakterisierende Kraft
im naturalistischen Dialog ist meisterhaft, nimmt mehr und mehr
zu mit der Unbildung der Personen, dadurch mit dem Gebrauch des
Dialekts. Gerade in der mosaikartigen Analyse der Armeleute-
malerei — ausgedrückt im Dialekt-Dialog — wurde eine unübertreff-
liche Meisterschaft erzielt. Alles, was im Dialog gesagt wird, ist
echt, jeder Gedanke so, wie er aus dem Flerzen kommt — in der
Form nur so zerrissen, daß man sich durch Gedankenstriche und
Punktreihen die getrennten Redeteile erst sorgsam zu Sätzen ergän-
zen muß. Die mundartliche Übertragung ist zwar nicht eine Neu-
erscheinung, denn schon im Drama der Stürmer und Dränger über-
raschen uns Scenen, die in der Mundart geschrieben sind; auch schon
die Vorstadt- und Lokalstücke eines Raimund, Nestroy, Anzen-
gruber oder Niebergall gebrauchten den Dialekt, nur barg der des
Naturalismus eine schwer zu übertreffende Echtheit86). Kommt zu
dieser Charakteristik naturalistischer Dialektdialoge noch hinzu,
daß die Gestalten, besonders bei Hauptmann, neben ihrem Provin-
zialdialekt noch einen individuellen sprechen, daß sie immer wieder
an bestimmte Redensarten und Sprachwendungen, die irgend eine
äußere oder innere Erfahrung mit ihrem Organismus untrennbar
verbunden hat, haften. Hauptmanns Menschen kommen in seinen
Dialogen nicht von ihrem „Nu, ja, ja“, — und „Hören se“ los. Das
Bleibende — und ich muß darin wieder auf Hauptmann hinweisen,
im Naturalismus, im naturalistischen Dialog war, daß die Stimmung
durch Wort und Bild einen gewissen Klangrhythmus erfuhr, der
86) Ursprünglich war alle Dichtung dialektisch geformt.
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klatsch des Alltagsgespräch, das bis in die feinsten Details mit dem
hellhörigsten Ohr aufgenommen wurde. Er gab eine lallende, stok-
kende Sprache, umso mehr, als meist das Stoffgebiet der Dramen
den ärmlichsten Volkskreisen entnommen wurde, eine Sprache, die
bald stockt, bald sich überschlägt, überhäuft mit angefangenen —
nie durchgeführten Sätzen, mit Anakoluthen, Dialoge, die, da die
Handlung auf ein Minimum begrenzt war, ziellos, absichtslos, nicht
aufbauend waren. Wegfall des Monologs, Wegfall des Beiseite,
Einführung der Intervalltechnik, mehr und mehr aufkommendes
Eindringen der Kleinmalerei bedingten den Sekundenstil des Dia-
logs, der sich vornehmlich aus einer fortlaufenden Reihe von
Augenblicksbildern, Idiotismen und Provinzialismen zusammensetzt.
Das Drama war nur reine Zustandsschilderung, das nur äußerlich
durch Dialoge dramatisch aufgelockert war; es war nicht mehr als
eine neue Form, die novellistische Erzählung bis zur höchsten un-
mittelbaren Anschaulichkeit zu treiben (Meister Oelze). Der Dialog
wogt hin und her, kommt zufällig vom Hundertsten ins Tausendste,
fällt wieder ins Alte zurück, ein ewiger Kreislauf eines engsten
Wirklichkeitsausschnittes einer engst begrenzten Welt. Reportage
in der Schilderung von Menschen und Situationen, — Situationen,
die sich in Dialogen entfalten sollen. Die charakterisierende Kraft
im naturalistischen Dialog ist meisterhaft, nimmt mehr und mehr
zu mit der Unbildung der Personen, dadurch mit dem Gebrauch des
Dialekts. Gerade in der mosaikartigen Analyse der Armeleute-
malerei — ausgedrückt im Dialekt-Dialog — wurde eine unübertreff-
liche Meisterschaft erzielt. Alles, was im Dialog gesagt wird, ist
echt, jeder Gedanke so, wie er aus dem Flerzen kommt — in der
Form nur so zerrissen, daß man sich durch Gedankenstriche und
Punktreihen die getrennten Redeteile erst sorgsam zu Sätzen ergän-
zen muß. Die mundartliche Übertragung ist zwar nicht eine Neu-
erscheinung, denn schon im Drama der Stürmer und Dränger über-
raschen uns Scenen, die in der Mundart geschrieben sind; auch schon
die Vorstadt- und Lokalstücke eines Raimund, Nestroy, Anzen-
gruber oder Niebergall gebrauchten den Dialekt, nur barg der des
Naturalismus eine schwer zu übertreffende Echtheit86). Kommt zu
dieser Charakteristik naturalistischer Dialektdialoge noch hinzu,
daß die Gestalten, besonders bei Hauptmann, neben ihrem Provin-
zialdialekt noch einen individuellen sprechen, daß sie immer wieder
an bestimmte Redensarten und Sprachwendungen, die irgend eine
äußere oder innere Erfahrung mit ihrem Organismus untrennbar
verbunden hat, haften. Hauptmanns Menschen kommen in seinen
Dialogen nicht von ihrem „Nu, ja, ja“, — und „Hören se“ los. Das
Bleibende — und ich muß darin wieder auf Hauptmann hinweisen,
im Naturalismus, im naturalistischen Dialog war, daß die Stimmung
durch Wort und Bild einen gewissen Klangrhythmus erfuhr, der
86) Ursprünglich war alle Dichtung dialektisch geformt.
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