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Thieme, Paul [VerfasserIn]
Der Fremdling im Ṛgveda: eine Studie über die Bedeutung der Worte ari, arya, aryaman und ārya — Leipzig, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.40195#0083
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D. Einzelnes Charakteristisches. § 63—64

69

„[Eine Flüssigkeit] schöpfen“ kann seit rigvedischer Zeit
mit grabh, grah „greifen, nehmen“ ausgedrückt werden (z. B.
grbhäyata sömam RV. 8. 69. 10, vgl. PW. s. v. grabh 10),
wie unter anderem auch der technische Name graka m.
„Schöpfbecherinhalt, Schöpfbecher“ (vgl. PW. s. v. graha
in. 2b ß) zeigt. Aber nicht nur Wasser, auch Feuer kann man
nach einer Ausdrucksweise, die Wh. Schulze, Kleine
Schriften S. 189ff„ untersucht hat, in verschiedenen Sprachen
„nehmen“: griech. jcvq Xaßelv, nvq avetv, lat. ignem capere,
lit. ugnj; imti, ital. fuoco prendere. Darnach muß es für höchst
wahrscheinlich gelten, daß auch im RV. da, wo agni als Ob-
jekt zu grabh erscheint (1.148. 3, 3. 9. 6, 4. 7. 2, 6. 8. 4, 7. 4. 3),
wir es mit der Vorstellung des Feuer- „Nehmens“ (= Ent-
nehmens = irgendwo Entzündens) zu tun haben, nicht mit
der des „Festnehmens“ (Geldner)1).
Stellt man nun die Frage, in welcher Beziehung der „Fremd-
ling“ im besonderen zum „Nehmen von Glut“ stehen möge,
so braucht man sich wiederum nur dessen zu erinnern, was
Wh. Schulze, Beiträge zur Wort- und Sittengeschichte III
(Kleine Schriften S. 189ff.), erwiesen hat: Eine der ersten
Menschenpflichten bei den Indogermanen — übrigens wohl
auch anderswo ■— ist es pati ab igne ignem capere siqui velit
(Cicero, de oh. 1.52): Schulze a. a. 0. S. 190, 204— eine
Menschenpflicht, die dem Nachbar, aber auch dem bittenden
Fremdling zugute kommt. Die Kesini soll dem Fremden nur
deshalb weder Feuer noch Wasser geben, weil sie sich nicht
verzögern soll2) (Mah. Bh. 3. 75. 4): Schulze a. a. O. S. 197;
allein dem Verbrecher darf grundsätzlich kein Feuer gereicht
werden (Manu 9.278): Schulze a. a. O.

1) Vgl. auch z. B. MS. 1. 4. 5 (52. 11) yäh pürvedyur agnim
grhnäti, (12) purvam agnim grhnäti = K. 31. 15 (17. 12), TS. 1. 6.
7. 1 agnim grhnäti, usw.
2) Wohl um dem Fremden seine Unbefangenheit nicht zu nehmen,
soll sie sich auch nicht nennen: abruvänä samlpasthä caritäny asya
lalcsaya „nicht dich nennend, beobachte in der Nähe stehend
seine Gebahrungen“. Siehe oben S. 16 Anm. 1.
 
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