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Thiersch, Hermann
Pharos: Antike, Islam und Occident ; ein Beitrag zur Architekturgeschichte — Leipzig, Berlin, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6241#0101
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KAPITEL IV

DIE NEUE REKONSTRUKTION

Ziehen wir das Schlußfazit! Es ist zugleich die Recht-
fertigung unserer neuen, auf Tafel VII u. VIII sowie Beilage I
gegebenen Rekonstruktion. Wie sah der antike Pharos
denn endlich aus?

Das schmale Riff, das den vom Meer umspülten Felsen,
auf dem der Turm fun-
diert wurde, mit der
Insel Pharos verband,
wurde in der Weise zu
einem Straßendamm
ausgebaut, daß dieser —
teilweise wenigstens —
die Richtung des städti-
schen Straßennetzes er-
hielt. Die Erbauung des
Leuchtturmes lag, wie
man mit Recht vermutet
hat, offenbar schon im
ursprünglichen Bauplan
Alexandriens. Die gewaltige Höhenentwicklung des Turmes
baute sich auf einer breiten Basis auf, die in glücklichster
Weise mit der großen Horizontale der Meereslinie ver-
mittelte. Das geschah durch den viereckigen, um den Fuß
des Turmes gelegten Hof, dessen letzter Rest in Fort Kait-
bey bis vor kurzem noch so
wohltuend wirkte, als Kopf der
Landzunge draußen im Meer,
kraftvoll, ruhig und sicher hin-
gelagert, ein harmonischer Ab-
schluß, ein architektonisch selten
feines Finale (vgl. Abb. 63). Diese
breite, massive Basis war in der
Antike vielleicht ein Hallenhof,
mit turmartigen Verstärkungen
an den Ecken und einem Ein-
gang, wie oben wahrscheinlich
gemacht, an der Südwestecke. Hinter den Hallen im Westen
und im Osten mögen Warenlager angeordnet gewesen sein,
auf der dem Hafen zugekehrten Seite hat anscheinend eine
dreischiffige Halle gelegen, deren Mitte sich nach dem Hafen
zu mit einer breiten Quaitreppe weit geöffnet haben könnte.

Nicht in der geometrischen Mitte des Ganzen, sondern
an die Nordseite des Hofes herangerückt stand der Leucht-
turm, von Süden her zugänglich auf schräg ansteigender
Stufenrampe, die zu der etwa 8 m hoch gelegenen Eingangs-
türe führte. In drei mächtigen, horizontal gegeneinander ab-

Abb. 63. Ansicht des Forls Kait-bey von Süden, Frühjahr 1901 (eigene Aufnahme).

Abb. 64. Pompejanisches Wandbild (nach Roux-Barre, Herculanum u. Pompeji)

gesetzten Stockwerken baute sich der Turm auf. Das unterste,
im Grundriß ein Quadrat, steigt mit sanfter Böschung 60 m
hoch auf, bei fast 30 m Seitenlänge am unteren Ende. Die
glatten, nur von den Fensterchen der Kammern durch-
brochenen Wandflächen sind an den Rändern von rahmen-
artigen Lissenen einge-
faßt. An der Nordseite
hoch oben, unter dem
mit einer Art kräftigen
Zahnschnitt vorkragen-
den Abschlußgesims,
stand die bekannte Bau-
und Weihschrift. Auf
dem ersten Absatz läuft
ein bequemer Umgang
mit Brüstung ringsum,
die wellenförmig nach
der Art des „laufender
Hund" genannten Orna-
mentes gestaltet ist und an den Ecken in vier Tritonen
ausgeht, die gewundene Muschelhörner blasen. Sie stür-
men förmlich aus dem Wellenkranz des Geländers nach
den vier Himmelsrichtungen hinaus.1) Das zweite Geschoß
ist achteckig und hat wahrscheinlich ebenfalls Lissenen,

aber schwächere, zur Markie-
rung der senkrechten Kanten
gehabt.2) Die Fensterchen be-
leuchten den Aufgang innen;
Kammern sind in diesem zweiten
Geschoß keine mehr vorhanden.
Als Stirnband, als oberen Ab-
schluß des Stockwerks ist man
fast versucht, wie einen um-
laufenden Fries das Motiv vom
Windeturm von Athen zu ver-
werten, das dort kaum original
hier in Alexandria sein Vorbild

ist und vielleicht eben
hatte. Wahrscheinlich war es beim Pharos, wie oben aus-
geführt, ein meteriologischer Zug, der dem Turm als See-

1) Eine Analogie ist jetzt die ebenfalls aus hellenistischer Zeit
stammende Basis des riesigen Marmordreifußes am Quai der Löwen-
bucht von Milet: über den Banklehnen in Relief überlebensgroße,
muschelhornblasende Ichthyokentauren und in den Wellen sich tum-
melnde Delphine; darüber Kriegsschiffe, deren Schnäbel an den drei
Ecken dekorativ vorspringen (vgl. Wiegand, Sitzber. der Berliner
Akademie 1905, S. 537). 2) Möglich wären auch flache Pilaster
wie an der prächtigen Ruine „la Tour magne" in Nimes.
 
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