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eine dem G. B. Franco zugeschriebene im Louvre, welche Gerard Audran (Dumesnil 180) und
Landon (IV, 210) gestochen hat (Reiset: dessins du Louvre S. 68 N. 215); zur rechten Seite eine
dem Raphael zuertheilte in der Albertina in Wien (Sc. Rom. Portf. V A, N. 260) und eine
Wiederholung derselben in Landon (Passavant: Raph. d'Urb. II, S. 493 o). An der Spitze des
Zuges ganz rechts eilt ein das Doppelhorn blasender Faun, dem eine die Cymbeln hochhaltende,
halb von hinten gesehene Frau folgt, dann ein die Syrinx blasender Knabe, eine in der erhobenen
Rechten ein Tambourin haltende Bacchantin, ein die Doppelflöte blasender Faun und zum Schluss
eine Frau, die ein Gewand über dem Kopfe schwingt. Die Wiederholung der Darstellung in
dem Speculum spricht dafür, dass wir in ihr die Reproduction eines antiken Reliefs zu sehen haben,
Einzelheiten aber, namentlich der das Hörn blasende Faun, den die Antike nicht kennt, dagegen.
Möglich, dass Pulszky Recht hat, wenn er das frei veränderte Vorbild in einer Antike des Vaticans
(Mus. Pioclem. IV. 29. 30) sieht, auf der die Stellungen namentlich der drei Faune ähnlich wieder-
kehren, die Armhaltungen und die Instrumente jedoch ganz verschieden sind. Eine endgültige
Entscheidung ist bis jetzt noch nicht möglich.

Dass die Zeichnung der Albertina dem Stecher für die rechte Seite der Composition als Vorlage
gedient hat, geht aus einer Vergleichung auf das Bestimmteste hervor. Den schlagenden Beweis dafür
liefert der Umstand, dass er ein Pentimento gründlich missverstanden hat, indem er nämlich aus dem
einfachen, gewundenen Hörne des jugendlichen Faunes, das eine fremde Hand mit einem lichteren
Röthel noch einmal in etwas veränderter Lage hineincorrigirt hat, ein Doppelhorn machte. Auch
sonst geht die Abhängigkeit des Stiches von der Zeichnung deutlich aus Kleinigkeiten hervor:
so sind überall die Hände, wo sie auf letzterer ungenau gegeben sind, vom Stecher in höchst
roher und der sonstigen künstlerischen Freiheit sehr widersprechender Art copirt worden. Um
die Figuren näher zusammenbringen zu können, hat er die Stellung der beiden Faune vertauscht,
war aber auch so noch gezwungen, das Doppelhorn, um eine Collision mit dem rechten Arme
der Bacchantin zu vermeiden, in unschöner Weise nach oben zu biegen. Dass Marcanton, wie
Passavant will, die drei andern Figuren selbst hinzugefügt, ist durchaus nicht anzunehmen. Ohne
Zweifel diente ihm für die linke Seite die Pariser Zeichnung als Vorlage. Er vertauschte die Stellung
der beiden Bacchantinnen, Hess bei dem Faune das Gewand und das Schwänzchen weg und veränderte
bei der rechts befindlichen Frau die Haltung des Armes mit dem Kranze. Die Veranlassung dazu ist
noch deutlich ersichtlich. Agostino hatte ursprünglich die zwei Platten, in die er die gesammte
Composition stach, nicht getrennt behandelt, sondern den ausgestreckten Arm, sowie den unten
vorspringenden Theil des Gewandes auf die Platte rechts hinübergeführt. Noch sind die Umrisse, die
der Pariser Zeichnung entsprechen, deutlich zu sehen. Beim Drucke nun mochte sich die
Unmöglichkeit, die beiden Hälften der Darstellung genau aneinanderzuschliessen, herausstellen, und
so sah sich der Stecher veranlasst, den rechten Arm der Bacchantin zurück und nach oben zu
biegen und das Ende des Gewandes wegzulassen, wodurch die Isolirung der Platten erreicht
wurde. An die Stelle des nun nicht mehr passenden Kranzes setzte er ein Tambourin. Diese
Untersuchung ergiebt zugleich mit Evidenz, dass der Stich Marcantons, den Passavant für das
Original hielt, eine Copie nach Agostino ist, da er getreu die endgültige, veränderte Composition
reproducirt, ohne für die Umwandlung, wie Agostino, eine Erklärung zu geben.

Die Vermuthung, dass beide Rötheizeichnungen von der Hand G. B. Francos herrühren, von
dem wir wissen, dass er zahlreiche Antiken mit der Absicht, sie zu stechen, zeichnete, hat viel
für sich. Gegen Raphael spricht vor Allem der bei diesem ganz ungewöhnliche, hier angewandte
dunkle, bräunliche Röthel. Unwillkürlich aber drängt sich die Frage auf, ob wir nicht vielleicht
in der erwähnten Correctur, die den lichten Röthel und die breite Handform des Urbinaten zeigt,
eine Verbesserung des Meisters selbst erkennen können. Offenbar giebt eine dritte Zeichnung
(im Louvre: Reiset N. 214), welche gleiche Behandlung und dasselbe Format zeigend von demselben
Meister, wie die besprochenen herstammt, aber nicht gestochen worden ist, eine Ergänzung der
Composition. Wir sehen auf ihr in schreitender Bewegung nach rechts hin, links eine Bacchantin,
welche mit beiden Händen ihr flatterndes Gewand fasst und nach oben schaut, rechts einen Faun,
der dem Beschauer den Kopf zuwendend in den ausgestreckten Armen ein Tambourin hält, und
von dessen linker Schulter ein kurzes Gewand herabfällt. Mehr noch, wie bei den im Stiche
wiedergegebenen Figuren fällt hier die dem modernen Geschmack entsprechende Umwandlung
antiker Motive, namentlich was die Gewandbehandlung betrifft, auf.


 
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