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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Deutung einzelner Figuren

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Gruppe der hl. drei Könige sieht. Der Frauenkopf in umittelbarer
Nähe dürfte wohl nur auf Judith zu beziehen sein. Doch das
ist Alles nur allgemein richtig, im Einzelnen fraglich, auch ob der
Jüngling mit antikischer Kappe in der untersten Reihe unmittelbar
über den Aposteln als Judas Makkabäus zu denken ist. Be-
stimmt gekennzeichnet durch die Krone ist nur die Frau links
hinter dieser Figur als Königin von Saba, was auch von
Chapon richtig erkannt ward.
Vermögen wir nun auch nicht, jede einzelne Figur heute noch
zu bestimmen — Eines geht schon aus dieser ersten Betrachtung
mit Sicherheit hervor, dass Michelangelo doch bei den Meisten an
eine historische Persönlichkeit gedacht hat. Wen aber hat er mit
der von uns noch nicht erwähnten Gestalt des Kreuzträgers rechts
von Adam gemeint? Gemeinhin spricht man, durch die eigenthüm-
liche Form des Kreuzes verleitet, von Andreas. Wie aber käme
Dieser hierher zu den Patriarchen? Auch hier dürfen wir doch
einen aus dem Limbus Befreiten voraussetzen! Es ist der gute
Schächer, dem das Wort erklang: „heute noch wirst du mit mir
im Paradiese sein", und der in Darstellungen sowohl des Besuches
Christi in der Unterwelt als auch des Jüngsten Gerichts eine Rolle
spielt! Indem er unmittelbar neben Adam und nach hinten ge-
wandt erscheint, wird in den beiden Gestalten gleichsam der ganze
Zeitraum des Alten Bundes zusammengefasst. Mit Condivi („dopo
Maria") Johannes d. T. anzunehmen, wäre wohl denkbar, da er an
dieser Stelle nicht unangebracht erschiene, doch wäre es befremdend,
hätte Michelangelo alle traditionelle Charakteristik vermieden und
ihm zudem auch noch ein so grosses Kreuz verliehen. Dass die
hinter Lorenzo nur mit ihrem Kopfe sichtbar werdende Frau als
Anna gedacht, könnte man aus der Nähe der Maria schliessen.
2. Der Chor der Apostel.
Ohne Weiteres an ihren Attributen erkenntlich sind Bartho-
lomäus und Petrus. Von auffallender ausgeprägter Individualität
erscheint der langbärtige mächtige, halbbekleidete Mann mit dem
hppigen Haar links hinter Petrus. Es ist wohl kein Anderer als
Johannes der Täufer in ihm zu gewahren.
Wir dürfen nun weiter erwarten, Johannes dem Evan-
gelisten eine hervortretende Stelle zugewiesen zu sehen. Es
dürfte der nackte, Christo am meisten angenäherte Jüngling über
Bartholomäus sein. Sonst finden wir nur noch vier — resp. wenn
wir den früher Judas Makkabäus genannten und seinen Nachbarn
mit dazu rechnen wollten: sechs — als Apostel zu deutende Figuren:
eine jugendliche und eine bärtige Gestalt in der Höhe — die jugend-
liche vielleicht Matthäus? die bärtige Jakobus der Ältere? — eine
 
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