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Die Vorherrschaft der Antike.

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Vollkommenheit jedoch, als Diese, offenbarte dem Plastiker die
Antike.
Von ihr hatten, Jeder in seiner Weise, wohl auch jene älteren
Toskaner gelernt, aber viel unbedingter mußte es nun diesem
Gaste des Lorenzo Mediceischen Hauses, dem schönheitsdurstigen
Jünglinge, der den Hymnen Platons lauschte, zu Bewußtsein kommen,
daß der reinste Quell der Belehrung über die Gesetzmäßigkeit bild-
nerischen Schaffens nur in den Werken des Alterthums zu finden
war. Das antike Ideal ist die Macht, welche die Jugend Michel-
angelos beherrscht.
Bis zum Jahre 1501 können wir ihren Einfluß, neben An-
regungen, die er den genannten italienischen Künstlern entnimmt,
verfolgen, und zwar macht er sich im Verlaufe dieser Zeit der Lehr-
jahre verschiedenartig geltend. Zuerst in der Aufnahme antiken
Geistes und in der Nachahmung antiken Reliefstiles, dann in der
statuarischen Neugestaltung antiker mythologischer Vorstellungen,
endlich in der freien Anwendung der aus der Antike gewonnenen
Formenanschauungen auf Statuen christlichen Inhaltes. Diese Wand-
lungen bedeuten nun aber zugleich schnelle Fortschritte im Sinne
einer zunehmenden Befreiung, denn die wachsende Selbständigkeit
wird dem seinerseits früh einsetzenden, mit Leidenschaft betriebenen
Naturstudium verdankt. In ihm ersteht der Antike ein mächtiger
Gegner, dessen tief begründete und unabweisliche Anforderungen
das Antikische so modifiziren, daß aus der Durchdringung der
beiden Elemente der Stil des zur vollen Meisterschaft gediehenen
Künstlers in voller Originalität hervorgeht.
Die Entwicklung bis ins Einzelne genau zu verfolgen, ist uns
nicht, so wie man es wünschen möchte, vergönnt. Wohl gewinnen
wir von den ersten Anfängen, obgleich auch hier der Mangel an
Kenntniss der Herkulesstatue sich sehr empfindlich bemerkbar macht,
und andrerseits von den Errungenschaften am Ende dieser, von
1488 bis 1501 reichenden Periode eine einigermaßen deutliche
Anschauung, nicht so sicher aber sind wir von den Bestre-
bungen in der mittleren Zeit, von 1495 bis 1497, denen doch ge-
rade über die Thatsachen des damals entscheidend eintretenden
Studiums der Natur wichtigste Belehrung zu entnehmen wäre,
unterrichtet. Nicht so sicher, denn die drei Werke, welche, von
einer Anzahl Forscher wenigstens, als Erzeugnisse jener Jahre be-
trachtet werden: der restaurirte Dionysos in den Uffizien, der
 
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