Antikes und Christliches.
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in der innigen Durchdringung antiker und neuerer formaler Ele-
mente beruht das Charakteristische der Schöpfung. Spricht sich
diese Verquickung besonders deutlich in dem Plane von 1513 aus,
da dem im Wesentlichen antikischen Freibau die christliche Wand-
dekoration, die sich an das römische Grabmal des XV. Jahrhunderts
(Paul II.) und im Besonderen an Andrea Sansovinos Ascanio Sforza-
denkmal (1505) im Chor von S. Maria del popolo anschliesst, gesellt
wird, so weist doch auch der Freibau selbst in den sitzenden
oberen Statuen, welche Burger mit Recht den Sansovino’schen ver-
gleicht, und in den Nischen, die Michelangelo schon an dem Unter-
bau des Grabmales Johanns XXIII. von Donatello kennen gelernt
hatte, auf Renaissancemotive hin. Jene die Bahre tragenden Figuren
hatte Donatello, die Tradition der neapolitanischen Denkmäler des
XIV. Jahrhunderts aufnehmend, in seinem Brancaccimonument ge-
bracht , die den Leichnam stützenden Engel Giovanni Pisano in
seinem Grabmal der Kaiserin Margarethe (Genua, Museo Civico),
die Putten zu Füssen des Papstes Antonio Rossellino in dem des
Kardinals von Portugal, die Kandelaberpostamente Sansovino und die
Anordnung von Figuren vor Pilastern Donatello an den Kanzeln in
S. Croce. An einem Donatellesken Werke auch : dem Postament eines
Mädonnentabernakels in S. Croce in Florenz (jetzt Grabmal Lom-
bardi) hat Michelangelo die dekorative Verwerthung von Hermen
kennen lernen können. Fast alle Motive also waren in dem Meister
wohlbekannten Werken gegeben — er hat sie aber in so wunder-
bar origineller Weise dem monumentalen Gedanken eines antikischen
Grabbaues angepasst, dass das gesammte Gebilde ganz neu und
eigenartig wirkt und die Vorstellung einer Benutzung älterer Ele-
mente für den ersten Blick ausschliesst.
Was für die Formelemente gilt, gilt aber auch wenigstens
für einige der hauptsächlichsten gedanklichen Motive. Gerade die
am meisten befremdlichen Erscheinungen: dieViktorien und Sklaven,
welche dem unbefangenen Beschauer die Idee nahe legen mussten,
es handle sich hier um die Verherrlichung des Papstes als eines
triumphirenden Imperators, erweisen sich bei näherer Erwägung
als ganz anders, mittelalterlich - christlich gemeint. Die sehr be-
greifliche Annahme, zu der sich schon Vasari gedrängt sah: es
seien nämlich die vom Papst unterworfenen Provinzen hier zu
sehen, ist unhaltbar, denn einmal hatte sich Julius II. 1505 noch gar
nicht als Eroberer bewährt und zweitens hätte selbst er, der
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in der innigen Durchdringung antiker und neuerer formaler Ele-
mente beruht das Charakteristische der Schöpfung. Spricht sich
diese Verquickung besonders deutlich in dem Plane von 1513 aus,
da dem im Wesentlichen antikischen Freibau die christliche Wand-
dekoration, die sich an das römische Grabmal des XV. Jahrhunderts
(Paul II.) und im Besonderen an Andrea Sansovinos Ascanio Sforza-
denkmal (1505) im Chor von S. Maria del popolo anschliesst, gesellt
wird, so weist doch auch der Freibau selbst in den sitzenden
oberen Statuen, welche Burger mit Recht den Sansovino’schen ver-
gleicht, und in den Nischen, die Michelangelo schon an dem Unter-
bau des Grabmales Johanns XXIII. von Donatello kennen gelernt
hatte, auf Renaissancemotive hin. Jene die Bahre tragenden Figuren
hatte Donatello, die Tradition der neapolitanischen Denkmäler des
XIV. Jahrhunderts aufnehmend, in seinem Brancaccimonument ge-
bracht , die den Leichnam stützenden Engel Giovanni Pisano in
seinem Grabmal der Kaiserin Margarethe (Genua, Museo Civico),
die Putten zu Füssen des Papstes Antonio Rossellino in dem des
Kardinals von Portugal, die Kandelaberpostamente Sansovino und die
Anordnung von Figuren vor Pilastern Donatello an den Kanzeln in
S. Croce. An einem Donatellesken Werke auch : dem Postament eines
Mädonnentabernakels in S. Croce in Florenz (jetzt Grabmal Lom-
bardi) hat Michelangelo die dekorative Verwerthung von Hermen
kennen lernen können. Fast alle Motive also waren in dem Meister
wohlbekannten Werken gegeben — er hat sie aber in so wunder-
bar origineller Weise dem monumentalen Gedanken eines antikischen
Grabbaues angepasst, dass das gesammte Gebilde ganz neu und
eigenartig wirkt und die Vorstellung einer Benutzung älterer Ele-
mente für den ersten Blick ausschliesst.
Was für die Formelemente gilt, gilt aber auch wenigstens
für einige der hauptsächlichsten gedanklichen Motive. Gerade die
am meisten befremdlichen Erscheinungen: dieViktorien und Sklaven,
welche dem unbefangenen Beschauer die Idee nahe legen mussten,
es handle sich hier um die Verherrlichung des Papstes als eines
triumphirenden Imperators, erweisen sich bei näherer Erwägung
als ganz anders, mittelalterlich - christlich gemeint. Die sehr be-
greifliche Annahme, zu der sich schon Vasari gedrängt sah: es
seien nämlich die vom Papst unterworfenen Provinzen hier zu
sehen, ist unhaltbar, denn einmal hatte sich Julius II. 1505 noch gar
nicht als Eroberer bewährt und zweitens hätte selbst er, der