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Tilker, Andreas
Tanikama: Dämonologie und Exorzismus in Sri Lanka — 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.8392#0052
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Zu einer Konkurrenzsituation könne es im übrigen erst dann kommen, wenn
sowohl für Männer wie für Frauen die gleichen gesellschaftlichen Ziele
offenstünden, mithin unsere westliche Gesellschaft ein Paradebeispiel
für Besessenheitsphänomene seien müßte, was sie aber gerade nicht ist.
WILSON stützt seine These vor allem auf die Tatsache, daß in Somalia,
wo manchmal Polygynie praktiziert wird, hauptsächlich verheiratete
Frauen besessen werden. Frauen seien einer Statusambiguität ausge-
setzt, weil ihre Männer durch Heirat eine neue Frau in den Haushalt
bringen. Er sieht in der Besessenheit ein Mittel, Eifersucht und Kon-
kurrenz zwischen Frauen auszudrücken und den durch weitere Heiraten
bedrohten Status einer Frau zu definieren und die Ambiguität zu über-
winden. #

6.2.3. OBEYESEKERE: Triebunterdrückung

OBEYESEKERE, der von LEWIS oben zitiert wurde, betrachtete ebenso wie
dieser Besessenheit als eine Gelegenheit, psychische Spannungen zu
lösen (OBEYESEKERE 1970: 100). Er folgt aber nicht LEWIS1 Ansicht,
daß der Grund dafür, daß Frauen häufiger von Besessenheitszustän-
den betroffen sind, in ihrem Bemühen liege, soziale Solidarität
als Frauen gegenüber Männern auszudrücken und ihre normalerweise
untergeordnete Stellung durch die Teilnahme an Exorzismusritualen
zeitweise zu beheben.

OBEYESEKERE richtet sein Augenmerk besonders auf die psychischen Kon-
flikte, die sich aus der kulturellen Haltung gegenüber Frauen und ihrer
strukturellen Position innerhalb der Gesellschaft ergeben. Auch ihm
zufolge fördert die soziale Situation Antagonismen zwischen den Ge-
schlechtern (1963: 331). Der Status und die Rolle der Frau werde von
der singhalesisehen Kultur eindeutig als untergeordnet und minderwer-
tig definiert. Großer Wert werde auf männliche Größe und Überlegen-
heit gelegt, die Haupttugenden der Frauen seien Ergebenheit,Keusch-
heit und Bescheidenheit.

OBEYESEKERE (1970: 101) argumentiert, daß aus dem Status-Rollen-System
psychische Konflikte entstünden, die sich aus der Erlernung der Rolle
 
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