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VOLKSBILDUNG IM KURFÜRSTENTUM TRIER.
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und Chaos, zwischen dem Wahren und dein Falschen.“ Endlich fand inan die richtigen
Grundsätze: „Man fieng an, aus der Erziehungskunst ein - besonderes Studium, die
Paedagogik genannt, zu machen . . . Seit dieser Zeit hat Deutschland in diesem Fache
Fortschritte gemacht, worin es alle Nazionen hinter sich lässt. Es stunden Paedagogen
vom ersten Range auf: ein Basedow, Salzmann, Rocliow. Resewitz, Lieberkühn, Stube
und der Patriarch der Paedagogen Campe.“ Hiermit ist die Entwicklung richtig,
gleichzeitig aber auch die Geistesrichtung der Trierer Pädagogen treffend charakterisiert.
„Um den Kindern das Lernen, welches sie bishero als eine Folter ansahen, angenehm
und recht nützlich zu machen, bedienen wir uns der Lehrart des . . . Herrn Ignatz
von Felbiger, welche in den Kaiserlich-Königlichen. Katholisch-Preussischen. Kuhr-
Maynzischen, Bayerischen, Wirzburgischen. Münster-Westphälischen, Fuldischen und
anderen Staaten mit gesegnetestem Erfolge seit mehreren Jahren eingeführet ist. Wir
haben zwar diese Lehrart noch nicht in allen Theilen zur Übung bringen können:
die Kürze der Zeit und die Kräfte der Schüler gestatteten dieses nicht.“ Diese Wiege
der Trierer Felbigerschule, auf die sich vorstehender Bericht4®) bezieht, stand in Coblenz
im Spinn- und Arbeitshause. Dort wurden in der seit dem Jahre 1771 mit dieser
Anstalt verbundenen und von zwei Geistlichen geleiteten Armenschule vorn 1. Januar
1776 an die ersten Versuche mit der neuen Lehrart gemacht.
Hören wir kurz einiges über die Geschichte und die Einrichtung dieser
Schule: „I. J. 1771 geruheten Seine Churfürstliche Durchlaucht, unser Hochwürdigster
Erzbischof, eine öffentliche Schule für die armen Kinder der Stadt Coblenz gnädigst anzu-
ordnen. Allein, die heilsamen Absichten unsers bestmeynenden Landesvaters wurden durch
die Trägheit der Altern vereitelt, welche lieber die Hände ihrer stets bettelnden Kinder
mit Almosen gefüllet, als deren Seelen mit nützlichen und nöthigen Wissenschaften gezieret
sahen. Unglücklicher Weise hat auch hierzu die unbescheidene Barmherzigkeit einiger ver-
mögenden Einwohner vieles beygetragen . . . Die Schule ward also nach und nach ganz
kinderloss. - Die Vorsehung hatte das 1776te Jahr . . . bestimmet, wo die liegende Schule
durch die weisesten Anstalten unsers theuersten Erzbischöfen und Kulirfürsten wieder sollte
aufgerichtet werden. Es wurden demnach zwey geistliche Lehrer bestellet, einer für die
Buben und der andere für die Mädchen, welche täglich in zween abgesonderten Zimmern
Morgens von 8 bis 11 und Nachmittags von 1 bis 3 Uhr in der christlichen Glaubenslehre,
biblischen Geschichten, Erkenntnis der Buchstaben, im Buchstabieren, in der Lese-, Schreib-
und Rechnenkunst Unterweisungen geben . . . Alle Tage hören die Kinder in der der Schule
angrenzenden Hospitals-Kapelle die hl. Messe . . . Nachmittags um 3 Uhr bethen sie in
bemeldter Kapelle den Rosenkranz und eine Litanie. Alle Sonn- und Feyertage ist Morgens
Predigt oder christliche Lehre abwechselnd und Nachmittags unausgesetzt christliche Lehre.
Mehrere Tage im Jahre sind bestimmet, wo die Kinder nach Maass ihrer Fähigkeit die
heiligen Sakramente der Busse und des Altarcs empfangen. Die übrige Zeit an den Werk-
tagen vom frühen Morgen bis in den späten Abend bringen sie mit Spinnen, Stricken und
Nähen zu“4'). Die Eltern sollten alle Kinder, „so in das 6te .Jahr eingetreten und das
15te noch nicht erreicht haben“ „unfehlbar“ in diese Armenschule schicken, „widrigenfalls
sie von der gewöhnlichen Allmosen-Austheilung ausgeschlossen, auch bey andauerndem Un-
gehorsam ins Zuchthaus gesperret werden sollen.“ (Kurfürstl. Verordnung v. 29. XII. 1775.)
I111 selben Jahre 1776 wurde auch bereits in einigen anderen Schulen des
Landes mit Felbiger ein Versuch gemacht, nämlich in der Armenschule von Trier
und in den Pfarrschulen von Koblenz, Camberg, Moselweiss und Oberwesel. Der Erfolg
war glänzend. Schon zu Ostern, also nach vierteljähriger Tätigkeit, konnte man dem
erstaunten Publikum von Koblenz und Trier die neumethodisch eingedrillte Jugend in
einer Prüfungsparade vorführen. Dieselbe fand in den Pfarrkirchen statt. Schon
im Herbste wurde zum zweitenmal geprüft. Die geladenen „Schul- und Armenfreunde“
sollten die Früchte der Felbigermethode aus eigener Anschauung kennen lernen, sich
für dieselbe interessieren und sich von der nützlichen Verwendung der Armenbüchse
überzeugen. Wir sind über diese Prüfungen der Koblenzer St. Castor-, Liebfrauen-
und der Armenschule (später auch der übrigen Koblenzer Knabenschulen, der zu St. Florin
40) Anleitung für die Schullehrer zu einer leichteren Lohrart usw., Koblenz, bei J. K.
Huber, 1776, S. 26.
47) Anleitung etc., 1. c., S. 25.
VOLKSBILDUNG IM KURFÜRSTENTUM TRIER.
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und Chaos, zwischen dem Wahren und dein Falschen.“ Endlich fand inan die richtigen
Grundsätze: „Man fieng an, aus der Erziehungskunst ein - besonderes Studium, die
Paedagogik genannt, zu machen . . . Seit dieser Zeit hat Deutschland in diesem Fache
Fortschritte gemacht, worin es alle Nazionen hinter sich lässt. Es stunden Paedagogen
vom ersten Range auf: ein Basedow, Salzmann, Rocliow. Resewitz, Lieberkühn, Stube
und der Patriarch der Paedagogen Campe.“ Hiermit ist die Entwicklung richtig,
gleichzeitig aber auch die Geistesrichtung der Trierer Pädagogen treffend charakterisiert.
„Um den Kindern das Lernen, welches sie bishero als eine Folter ansahen, angenehm
und recht nützlich zu machen, bedienen wir uns der Lehrart des . . . Herrn Ignatz
von Felbiger, welche in den Kaiserlich-Königlichen. Katholisch-Preussischen. Kuhr-
Maynzischen, Bayerischen, Wirzburgischen. Münster-Westphälischen, Fuldischen und
anderen Staaten mit gesegnetestem Erfolge seit mehreren Jahren eingeführet ist. Wir
haben zwar diese Lehrart noch nicht in allen Theilen zur Übung bringen können:
die Kürze der Zeit und die Kräfte der Schüler gestatteten dieses nicht.“ Diese Wiege
der Trierer Felbigerschule, auf die sich vorstehender Bericht4®) bezieht, stand in Coblenz
im Spinn- und Arbeitshause. Dort wurden in der seit dem Jahre 1771 mit dieser
Anstalt verbundenen und von zwei Geistlichen geleiteten Armenschule vorn 1. Januar
1776 an die ersten Versuche mit der neuen Lehrart gemacht.
Hören wir kurz einiges über die Geschichte und die Einrichtung dieser
Schule: „I. J. 1771 geruheten Seine Churfürstliche Durchlaucht, unser Hochwürdigster
Erzbischof, eine öffentliche Schule für die armen Kinder der Stadt Coblenz gnädigst anzu-
ordnen. Allein, die heilsamen Absichten unsers bestmeynenden Landesvaters wurden durch
die Trägheit der Altern vereitelt, welche lieber die Hände ihrer stets bettelnden Kinder
mit Almosen gefüllet, als deren Seelen mit nützlichen und nöthigen Wissenschaften gezieret
sahen. Unglücklicher Weise hat auch hierzu die unbescheidene Barmherzigkeit einiger ver-
mögenden Einwohner vieles beygetragen . . . Die Schule ward also nach und nach ganz
kinderloss. - Die Vorsehung hatte das 1776te Jahr . . . bestimmet, wo die liegende Schule
durch die weisesten Anstalten unsers theuersten Erzbischöfen und Kulirfürsten wieder sollte
aufgerichtet werden. Es wurden demnach zwey geistliche Lehrer bestellet, einer für die
Buben und der andere für die Mädchen, welche täglich in zween abgesonderten Zimmern
Morgens von 8 bis 11 und Nachmittags von 1 bis 3 Uhr in der christlichen Glaubenslehre,
biblischen Geschichten, Erkenntnis der Buchstaben, im Buchstabieren, in der Lese-, Schreib-
und Rechnenkunst Unterweisungen geben . . . Alle Tage hören die Kinder in der der Schule
angrenzenden Hospitals-Kapelle die hl. Messe . . . Nachmittags um 3 Uhr bethen sie in
bemeldter Kapelle den Rosenkranz und eine Litanie. Alle Sonn- und Feyertage ist Morgens
Predigt oder christliche Lehre abwechselnd und Nachmittags unausgesetzt christliche Lehre.
Mehrere Tage im Jahre sind bestimmet, wo die Kinder nach Maass ihrer Fähigkeit die
heiligen Sakramente der Busse und des Altarcs empfangen. Die übrige Zeit an den Werk-
tagen vom frühen Morgen bis in den späten Abend bringen sie mit Spinnen, Stricken und
Nähen zu“4'). Die Eltern sollten alle Kinder, „so in das 6te .Jahr eingetreten und das
15te noch nicht erreicht haben“ „unfehlbar“ in diese Armenschule schicken, „widrigenfalls
sie von der gewöhnlichen Allmosen-Austheilung ausgeschlossen, auch bey andauerndem Un-
gehorsam ins Zuchthaus gesperret werden sollen.“ (Kurfürstl. Verordnung v. 29. XII. 1775.)
I111 selben Jahre 1776 wurde auch bereits in einigen anderen Schulen des
Landes mit Felbiger ein Versuch gemacht, nämlich in der Armenschule von Trier
und in den Pfarrschulen von Koblenz, Camberg, Moselweiss und Oberwesel. Der Erfolg
war glänzend. Schon zu Ostern, also nach vierteljähriger Tätigkeit, konnte man dem
erstaunten Publikum von Koblenz und Trier die neumethodisch eingedrillte Jugend in
einer Prüfungsparade vorführen. Dieselbe fand in den Pfarrkirchen statt. Schon
im Herbste wurde zum zweitenmal geprüft. Die geladenen „Schul- und Armenfreunde“
sollten die Früchte der Felbigermethode aus eigener Anschauung kennen lernen, sich
für dieselbe interessieren und sich von der nützlichen Verwendung der Armenbüchse
überzeugen. Wir sind über diese Prüfungen der Koblenzer St. Castor-, Liebfrauen-
und der Armenschule (später auch der übrigen Koblenzer Knabenschulen, der zu St. Florin
40) Anleitung für die Schullehrer zu einer leichteren Lohrart usw., Koblenz, bei J. K.
Huber, 1776, S. 26.
47) Anleitung etc., 1. c., S. 25.