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Poensgen, Georg; Trübner, Wilhelm [Hrsg.]; Heidelberger Kunstverein [Hrsg.]
Trübner in Heidelberg: Wilhelm Trübner aus Anlass seines 50. Todestages zum Gedächtnis; Heidelberger Kunstverein, 25. November 1967 bis 7. Januar 1968 — Heidelberg, 1967

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https://doi.org/10.11588/diglit.36917#0011
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Bevor er am Ende seiner Laufbahn eine durchaus neue, unverwechselbar persönliche Form
impressionistischer Malerei gefunden hatte, machte der Künstler an anderen Orten, vor allem in
München und Oberbayern, die verschiedensten Stadien schöpferischer Entfaltung durch. Zeit-
weise standen mythologische Vorwürfe im Mittelpunkt seines Interesses, Freude am Valeur-
und Stillebenhaften überwog die Berücksichtigung des Physiognomischen bei zahlreichen Bild-
nissen, die Wiedergabe landschaftlicher Aspekte stellte sich mehr und mehr als seiner Eigenart
am ehesten gemäß heraus. Unermüdlich produzierend, hatte er den Gleichmut, sich auch dann
zu seinen Arbeiten zu bekennen, wenn diesen als Ubergangsversuchen nur untergeordnete
Bedeutung beizumessen war, oder Wenn er sie, da als Aufträge ehrenvoll und gut dotiert, ohne
sonderliche innere Beteiligung erledigt hatte. Die beiden großen Historienbilder, die er zum
Heidelberger Universitäts-Jubiläum 1903 für die Stadthalle fertigte, sind als Niederschläge der-
artiger Auftragserfüllungen zu werten. Ganz abgesehen von künstlerischen Qualitäten, die auch
sie in Einzelpartien aufweisen, verdienen gerade sie als für Heidelberg kennzeichnende histori-
sche Dokumente die Aufmerksamkeit der Heutigen. In dem Augenblick, wo der Bismarckplatz
völliger Umgestaltung entgegengeht, ist zudem die Gelegenheit, eine Darstellung des einst am
Beginn der Hauptstraße befindlichen Mannheimer Tores vorzuführen, besonders zu begrüßen.
Auch die retrospektiven Wiedergaben von zahlreichen Persönlichkeiten der Stadtverwaltung und
der Universität aus dem Jahre 1886 vor der Heiliggeistkirche verdienen in diesem Rahmen als
Belege sowohl für die Mentalität der Auftraggeber wie die des Malers zeitgeschichtliche Würdi-
gung, obgleich Trübner sie größtenteils schlecht und recht nach Photographien einfügte. Wir
haben uns mit dem Gebäude der Stadthalle selbst ohnehin abzufinden. Der geschmackliche
Leichtsinn, zu dem sich der Künstler bei der Herstellung von Schaustücken für dieses Gebäude
verleiten ließ, ist ein Symptom für das vielfache Schwanken zwischen Zelotentum und Selbst-
überschätzung an der Schwelle des letzten Vorkriegsjahrzehnts. Wüßten wir nicht, daß Trübner
schon im folgenden Jahr eine Reihe von ungemein lebensvollen Ansichten des Schlosses Hems-
bach an der Bergstraße schuf, dann könnten wir vermuten, sein Talent habe sich mittlerweile
erschöpft. Das Gegenteil war der Fall. Wieder und wieder von dem heimatlichen Ambiente an-
gezogen, sollte er gerade in Heidelberg und im Odenwald die Höhe seiner maierischen Kapazität
erreichen. Seine verschiedenen, pastös aus der Grundfarbe grün entwickelten Wiedergaben des
Stiftes Neuburg aus dem Jahre 1913 gehören zu den bemerkenswertesten Zeugnissen impressio-
nistischer Freilichtmalerei. Nach ihm ist es bisher keinem Künstler vergönnt gewesen, das Unver-
wechselbare des hiesigen Naturcharakters eindrucksvoller zu verbildlichen, „der Vaterlandsstädte
ländlich schönste" in der Folge der Romantiker würdiger zu repräsentieren, als eben diesem
ihrem Sohn auf dem Gipfel seiner Schöpferkraft. Wir haben allen Grund, seiner heute ehrerbietig
zu gedenken. Aus seinen letzten Jahren hat sich kein Selbstbildnis von ihm erhalten. Sein in
mancher Hinsicht artverwandter Malergefährte Lovis Corinth portraitierte den Freund eben zu
der Zeit, als dieser die Stift Neuburg-Bilder konzipierte, mit einer Radierung, deren herbe Klar-
heit das Durchgeistigte des In jeder Hinsicht hoch gebildeten Menschen erkennen, zugleich aber
auch die Todesnähe des in seiner Kunst Vollendeten bereits erahnen läßt. Georg Poensgen
 
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