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Die Culturwissenschaft.

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treffliche Dienste leistet, dass man bisweilen selbst wünschen könnte,
die Opposition wäre stärker, als sie ist. Andere Hindernisse aber
für die Erforschung der Gesetze der menschlichen Natur entspringen
aus metaphysischen und religiösen Betrachtungen. Der landläufige
Begriff des freien menschlichen Willens umfasst nicht nur die Frei-
heit, im Einklang mit Motiven zu handeln, sondern auch die Fähig-
keit, sich aus dem Zusammenhänge loszureissen und ohne Ursache zu
handeln, eine Vorstellung, welche sich ungefähr mit einer Wage
vergleichen lässt, die bisweilen in der gewöhnlichen Weise wirkt,
aber auch die Fähigkeit besitzt, sich selbstständig ohne oder gar
gegen ihre Gewichte zu drehen. Diese Ansicht von einer an keine
Gesetze gebundenen Thätigkeit des Willens, welche, wie kaum
gesagt zu werden braucht, mit einer wissenschaftlichen Beweis-
führung unvereinbar ist, besteht mehr oder minder ausgesprochen
im Kopfe mancher Menschen und übt einen bedeutenden Einfluss
auf ihre theoretische Anschauung von der Geschichte aus, obgleich
sie in der Regel bei systematischen Erörterungen nicht gerade in
den Vordergrund gestellt wird. In der That bildet die Definition,
nach welcher der menschliche Wille vollkommen mit den Beweg-
gründen im Einklang stehen muss, die einzig mögliche wissenschaft-
liche Basis für solche Untersuchungen. Glücklicher Weise ist es
nicht nöthig, hier eine neue Abhandlung zu der grossen Reihe
der schon vorhandenen über übernatürliches Eingreifen und natür-
liche Entwickelung, über Freiheit, Prädestination und Verantwort-
lichkeit hinzuzufügen. Wir dürfen das Gebiet der transcendenten
Philosophie und Theologie so schnell wie möglich verlassen, und
eine hoffnungsvollere Reise über wegsameren Boden antreten. Nie-
mand wird leugnen, dass, wie ja Jedem das eigene Bewusstsein
bezeugt, bestimmte und natürliche Ursachen in hohem Grade die
menschlichen Handlungen beeinflussen. Nehmen wir drum, ohne
uns um aussernatürliches Eingreifen und ursachlose Spontaneität
zu kümmern , diesen Zusammenhang von natürlicher Ursache und
Wirkung als den Boden, auf dem wir uns bewegen, und wandern
darauf, so weit er uns trägt. Auf ganz derselben Basis verfolgen
die physikalischen Wissenschaften mit immer wachsendem Erfolge
die Erforschung der Naturgesetze. Auch braucht diese Einschrän-
kung das wissenschaftliche Studium des menschlichen Lebens nicht
zu hindern, da die wirklichen Schwierigkeiten, nämlich die ausser-
ordentliche Verworrenheit der Zeugnisse und die Unvollkommen-
heiten der Beobachtungsmethoden, rein praktischer Natur sind.
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