Gefühlssprache und nachahmende Sprache.
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Laute hat Anlass zu Speculationen über den Ursprung der Sprache
gegeben, in denen man solche expressive Laute als die Grund-
bestandtheile der Sprache im Allgemeinen behandelt und diejenigen
von ihnen, welche noch klar zu erkennen sind, als solche betrachtet
hat, welche sich mehr oder minder in ihrem ursprünglichen Zu-
stande erhalten haben; aus solchen haben dann Anpassung und
Variation die grosse Menge von Wörtern in allen Sprachen gebildet,
in denen kein Zusammenhang zwischen dem Gedanken und dem
Laut mehr mit Bestimmtheit nachzuweisen ist. So entstanden
verschiedene Lehren von einem ,,natürlichen“ Ursprung der Sprache,
welche sich mit der klassischen Zeit anhebend im achtzehnten
Jahrhundert durch jenen gewaltigen Denker, den Präsidenten
Charles de Brosses, zu einem System entwickelten und in unserer
Zeit durch eine Philologenschule erweitert und fester begründet
worden sind, in der Mr. Hensleigh Wedgwood die erste Stelle
einnimmt'). Diese Theorien sind ohne Zweifel unvorsichtig und mit
vieler Phantasie ausgeführt worden. Kein Wunder, dass Gelehrte,
die in der Natur wirkliche und direkte Quellen für eine articulirte
Sprache fanden, in solchen Interjectionslauten wie ah! uh! hm!
sch! und nachahmenden Lauten wie purr, zisch, tomtom*), Ktickuck,
auf den Gedanken gekommen sind, nun läge das ganze Geheim-
niss der Sprache in ihrem Bereiche, und sie brauchten nur noch
die so gefundenen Schlüssel in ein Loch nach dem andern zu
stecken, um jedes Schloss öffnen zu können. Wenn ein Forscher
eine Wahrheit in Händen hat, so spannt er sie weiter an, als sie es
auszuhalten vermag. Der magische Schirm muss sich immer mehr
und mehr ausdehnen, bis er zu einem weiten Zelt wird, gross
genug, dem ganzen Heere des Königs Schutz zu gewähren. Aber
man muss bedenken, dass das, was die Kritik an diesen Ansichten
angreift, ihre Ausartung, nicht ihr Wesen ist. Dass Ausrufe und
nachahmende Worte in gewissem Maasse, in grossem oder geringem,
wirklich in den Körper und den Bau der Sprache aufgenommen
werden, leugnet Niemand. Wenn Jemand dies dennoch leugnen
sollte, so könnten ihn die Anhänger der angegriffenen Theorien
mit der einen Phrase abweisen, sie liessen sich weder schmähen
*) Ü. de Trosses, „Tratte de la Formation FLecanique des Langues“ etc. (I. Ausg,
1765); Wedgwood, „ Orig in of Language“ (1866); ,, Tic. of English Etymology“
(1859 etc.); Farrar, „CJiapters on Langunge“ (1865).
*) Grosse indische Trommel. - t .
T y 1 o r, Anfänge der Cultur. I. i ;
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Laute hat Anlass zu Speculationen über den Ursprung der Sprache
gegeben, in denen man solche expressive Laute als die Grund-
bestandtheile der Sprache im Allgemeinen behandelt und diejenigen
von ihnen, welche noch klar zu erkennen sind, als solche betrachtet
hat, welche sich mehr oder minder in ihrem ursprünglichen Zu-
stande erhalten haben; aus solchen haben dann Anpassung und
Variation die grosse Menge von Wörtern in allen Sprachen gebildet,
in denen kein Zusammenhang zwischen dem Gedanken und dem
Laut mehr mit Bestimmtheit nachzuweisen ist. So entstanden
verschiedene Lehren von einem ,,natürlichen“ Ursprung der Sprache,
welche sich mit der klassischen Zeit anhebend im achtzehnten
Jahrhundert durch jenen gewaltigen Denker, den Präsidenten
Charles de Brosses, zu einem System entwickelten und in unserer
Zeit durch eine Philologenschule erweitert und fester begründet
worden sind, in der Mr. Hensleigh Wedgwood die erste Stelle
einnimmt'). Diese Theorien sind ohne Zweifel unvorsichtig und mit
vieler Phantasie ausgeführt worden. Kein Wunder, dass Gelehrte,
die in der Natur wirkliche und direkte Quellen für eine articulirte
Sprache fanden, in solchen Interjectionslauten wie ah! uh! hm!
sch! und nachahmenden Lauten wie purr, zisch, tomtom*), Ktickuck,
auf den Gedanken gekommen sind, nun läge das ganze Geheim-
niss der Sprache in ihrem Bereiche, und sie brauchten nur noch
die so gefundenen Schlüssel in ein Loch nach dem andern zu
stecken, um jedes Schloss öffnen zu können. Wenn ein Forscher
eine Wahrheit in Händen hat, so spannt er sie weiter an, als sie es
auszuhalten vermag. Der magische Schirm muss sich immer mehr
und mehr ausdehnen, bis er zu einem weiten Zelt wird, gross
genug, dem ganzen Heere des Königs Schutz zu gewähren. Aber
man muss bedenken, dass das, was die Kritik an diesen Ansichten
angreift, ihre Ausartung, nicht ihr Wesen ist. Dass Ausrufe und
nachahmende Worte in gewissem Maasse, in grossem oder geringem,
wirklich in den Körper und den Bau der Sprache aufgenommen
werden, leugnet Niemand. Wenn Jemand dies dennoch leugnen
sollte, so könnten ihn die Anhänger der angegriffenen Theorien
mit der einen Phrase abweisen, sie liessen sich weder schmähen
*) Ü. de Trosses, „Tratte de la Formation FLecanique des Langues“ etc. (I. Ausg,
1765); Wedgwood, „ Orig in of Language“ (1866); ,, Tic. of English Etymology“
(1859 etc.); Farrar, „CJiapters on Langunge“ (1865).
*) Grosse indische Trommel. - t .
T y 1 o r, Anfänge der Cultur. I. i ;