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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.16726#0008
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Wc-gWiMsHsik U«tz TctgeZkcrrL- Seit« 8.

rink schwere Kiste und ein Faß fielen dem Mann auf den Lew,
so daß ihm die Bcine zeischmettert wurden. Die Amputation
beidcr Beine sol! ersocderlich sein.

Reichardtsdorf. Am 2. August Morgens 12^/4 Uhr
stand plötzlich daS Gehöfte dcs Amtsvorstehers Baumgärtel in
Flammen. Die Bewohner mußten erft gewcckt werden und konnten
kaum das Leben rctten, ein Kinderwazen, in welchem das jüngste
Kind lag, war schon von den Flammen crgriffen.

Dresdcn. Zur Vorbereitung der Betheiligung d«r
Dresdner Bürgerschast an dcn Festlichkeiten aus Anlaß der Veß-
mählung Jhrcr Königl. Hoheit der Prinzesfin Maria
Jesesa, Herzogin zu Sachsen, mit dem Erzherzog Otch
Franz Joscs von Oesterreich hat sich ein Bürgerausschuß
gebildct, wclchem die angesehensten Bürgcr unserer Stadt ange-
hören. Nach dem vorläufig ent«orfenen Programm werden v-r-
schiedene festliche Aufzüge stattfindcn, außrrdem ift cin groß-s
artigrr Fackclzug geplant, an welchcm die städtischen Kollczicn^
d:e KLnstlerschast, die Jnnungen, die sämmtlichen Gcsangvereint
und andcre Korporationen Dresdens, sowie Sachsens Militär-
vereinsbund sich durch Deputationcn aus allen Gauen SachsenS.
betheiiigen wcrden. Am Abcnd des Hochzeitstages soll eine'
glünzende Jllumination dcr Stadt erfolgen, während den Nru»
verwählten eir.e großartige Serenade von sämmtlichen MusikkorpS;
der Drcsdner Garnison im Schloßhofe zugcdacht ist. Sämmtliche ,
Dresdner Gesar.gvereine bereiten ein Ständchen vor, das durch
seine Massenwirkung imponiren wird.


Derrtschss Neich»

Berlin, 4. August. Der deutsche Kronprinz gedachte,
heute Nachmittag Heidelbcrg zu verlaffcn, um seine Kaiserliche
Mutter in Schlangcnbad zu bcsuchen und dann am 6. d. M.
über Heidclberg nack Berlin, bezw. Po:sdam zurückzukehren.

— Jn Bad Gastein fand am 3. d. M. in dcn Apparte-
ments deS Kaisers ein Diner Statt, zu welchem die Kaiserin
Elisabcth mit ihrem Gesolgc, dcr Fürst und die Fürstin
Bismarck, sowie Fürst Hohenlohe mit Gemahlin geladen
warcn.

— Nach den bishcrigen Bestimmungen wird Fürst Bismarck
bis Ende dicses Monats in Gastein bieibcn. Die Begeznung
mit Herrn v. Giers müßte also dort stattfindcn; doch ist bisher
in dicser Beziehung Nichts festgesrtzt worden. Es kann nicht aus-
blcibrn, daß die gleichzeitige Anwcsenheit dcs Reichskanzlers, deS
Statthalters der Reichslande und des Staatssekreiärs v. Bötticher
in Gastcin den Anlaß zu manchen Vrrmuthungen giebt. Es wird
indessrn versichert, daß eS sich dabei nur um ein zusälligcS Zu-
sammentreffen handelt.

— Der Chef der Admiralität, Generalleutnant v. Caprivi,
ist in Bcgleitung des Vorstandes der Zenlralabtheilung der Ad«
miralität, von Reichrnbach in Kiel eingetroffcn und bcsichtigte
am 4. August Vormittags Friedrichsort.

— Dcr chincfische Marquis Tser.g hat in Bcrlin gestcrn
verschiedene Sehenswürdigkeiten, untcr and-ren auch die Faorik-
anlagen von SicmenS u. Halske und die Maschinenbau-Anstalt
von Schwartzkopff besichtigt. Abends ist der ch'msische Gcsandte
dann nach Eibing abgercist, von wo er sich nach Petersdurg be^
geben wird. Z

— Der AuStausch der Ratifikationsurkunden zu d^
am 2. Jum d. I. zwischcn Deutschland und Großbritannien abU
xeschlosscnen Ucbercinkunft, durch welche die Preußisch-eng
lischen Literarkonventionen von 1846 und 1855 auf dv
bisher vcrtragsiosen Theile dcs Reichs ausgcdehnt werden, ha:
am 29. v. M. zu London stattgesunden. Dir Uebcreinkunst trit
drei Monate nach AuZrausch der Urkunden in Krast.

— Die neueste Nummcr der „Deutschen Konsulats.Zeitung"
bringt aus einem Bostoner Konsulatsberichte folgende, sü
die deutsche Jndustrie ehrenvolls Mittheilung: „Es ist ein«!
erfreuliche Thatsache, daß deutschc Fabrikate trotz d«8 Durchschniits-
zolls von 45 Prozent mehr und mchr Eingang finden. Stahl
verdrängt in allm Frbrikm das Eisen, und bis jetzt hat gerade
Deutschland das befte und wohlfeilste Material in dieser Bc-
ziehung geliesert."

— Auch im Schlawer Krcise haben sich, wie auS Berlin
gemeldct wird, die Brenncreibesitzer entschlossm. cine Be-
schränkung dcr Spiritukproduktion um 20 P:oz. eintreten
zu laffen.

— Die Preußische Rcgierrmg verfüzt nunmehr sür den Z«eck
der Bcsicdelung der polnischen Landestheile durch
Dcutjchc über drei Gütcr, nämlich Komorowo und Lubowo
im Kreis« Gncsm unv ein Gut im Krcis« Flatow (Westpreußen).

— Aus Danzig wird geschricbm: An mehreren Ortcn, so
neueidinxs in Stolp, ist aus Veranlassung dcr Brennerei-Jnter«
csscntm die Errichtung von Spiritus-Lagerhäusern angebahnt
wordcn Da auch sür Danzig ähnliche Einrichtungcn gcwünscht
werdcn, so sind hier vorbereitende Schrittc getroffen worden, um
w Neusahrwasser größcre Bassins zur Spirituslagerung herzustellm.
^>t der Durchsührung diescs Projektes foll, sosorn nicht unvor-
hbrgesehene Hinderniffc eintreten, in Kürz« begonnen wcrden.

— Vom Univcrsitätsjubilüum in Heidelbcrg.
kiarrm Sternenhimmel, dcsien milder Elanz vor der glänzenden
Schloßbeicuchtung crblich, vcrlief am Dienstag Abend das Fest auf
dem Heidelberger Schloh, dos die Badische Regierung den Jubi-
läumsgästcn gab. Die Anwcscnbeit dcs Großhcrzogs und drs deutschcu
Kronprinzen gab auch dicscm Festc eincn bcsonderen Charakter. Während
bunte Schaaren von Festgästen, Studcnten, Profcssoren und ihre Familien
wie die andercn Bürger Heidelbergs mit ihrcn Töchtern und Frauen den
wunderbar beleuchteten Schloßplatz, die Tcrrassc und dic zugänglichen
Jnnenräume der herrlichen Schloßruine in malertschcr Beweglhcit be-
völkerten, fand im eigens dckorirtcn Baufaal Rupcrtus' Empsang und
Kour durch die gcnanntcn Fürstlichkeiten und die besonders geladenen
Ehrengäste Statt. Das gesammte Mauerwerk der Jnncnseite dcs Echlosses
war mit gelben, grüncn und rothen Lampengarniluren illuminirt, auf
der Freitrcppe vor dem Otto-Heinrichsbau brannten auf geschmückten
Säulenständcrn Lampenkränze in buntcn Farbcn, während Schwibbogen
von weißen Glocksnlichtcrn vcrschiedene Ein- und AuSgänge malerisch
uberbrückten. Der herrlichc, feenhaste Eindruck wurde noch gesteigert
^urch hic bengalische Beleuchtung cinzclner Partien, namentltch als der
^soßhcrzog und der Kronprtnz kurz nach 10 Uhr den Festplatz verlicßen.

Außenseite des Schlosscs war von elcktrischc« Bogcnlampcn in
"lerisch dämmcrhaftc Helligkeit versetzt. Die Bewirthung frnd
^steben Büffets Statt, von dencn einige in verschwiegenen,
kaum betrctenen Jnnenräumen angebracht waren. Wesent-

sonst

^Löht wurde das unvergleichliche Schauspiel durch lieb-
llche Erschcinungcn der Heidelbergerinnen m s-stlichen Toilettcn. —

Am Mittwoch früh Vo9 Uhr versammelten sich die Professoren
und die Ehrengäste der Universität in der Aula, sowie eine große Zahl
Studirender aus dcm Ludwigsplatz, um in seierlichem Zuge um 9 Uhr
zur Heiliggcistkiiche zu ziehen. Unter Vorantritt eines Mustkkorps und
15 Vertrcter der Heidelberger Studentenschast mit dcm ncuen Banner
cröffnete den Zug dcr Prorektor, dem die Pedclle voranschritten. Untcr
den Klängen der Kaiserhymne erfolgte, nachdcm die Kirche gefüllt war,
der Einzug des Großhcrzogs, der Großherzogin und des dcutschen Kron-
prinzen. Die vercinigten akadcmischen Gcsangvereine trugen Händels
Hallclujah vor, daraus ergriff Geheimrath Kuno Fischer, der berühmte
Profesior dcr Philosophic und Redner, das Wort zu eincr Fcstrede histor.
Charakters. Die Rede Fischers wäbrte gut zwei Stunden und war sür
die Situation wohl zu lang, im Verhältniß zu dem durch den Rcdner
bewälttgten Stoff dennoch bewundernswerth kurz. Er gab cin umsasicndes
Bild der Eotw-.ckelung der Univcrsität Heidelberg vom politischen, wiffen-
schaftlichen und liternrhistorischcn Standpunkte. Klar in der Anordnung
und den Verhältnisscn, reich an intereffanten Eii zelhettcn besprach er die
Entstehung und dcn Ansang dcr Hochschule zu Ruprccht's und Marsilius'
Zeitcn, die Verhältniffe im Mittelaltcr, die Rcform untcr Friedrich I.,
die Renaisiance uoter Philipp, die rcformatorischen Bestrebungen unter
Ludwig V. und Fricdrich II., die Zeit des Calvinismus und nach kräf-
tigem markirtrm Uebergange die Folgen der Verwüstung durch die Fran-
zosen. Mit der Darstellung des patriotischcn Aufschwungs und der dem
Aufblühen dcr Universität günstigen Gegenwart übcrhaupt ginq ein patrio-
tischcr Zug durch die Iicde, bie im Vcrhältniß zur cigentlichen Univeisiiäts-
geschichte fast zu v'el Rückstcbt auf d-n Gang de: xolitischen Ereigniffe
nahm. Charaktcristisch ist folgcnde Stelle aus den Emgangsworten:
„Wclch' ungeheurer Zcitraum trennt unS von jenen Tagen dcr Gründung
der Univcrsilät! Dcr Zeitpunkt ihrer Stistung liegt drei Dezennien nach
Errichtung der Goldenen Bulle, jeneS Reichsgcsetzes, das die kaiserlichc
Gewalt uotergraben und das Rcich oligarchisch gemacht hat, ihre heuiige
Jubelfeier drei Lustra nach Wiedercrrichtung d-S Dcutschen Reichs. Welchcr
Kontrast zwischen damals und jetzt in don Trägern der kaiscrl. Gewalt.
Als unsere Univcrsität gestistet wurde, h:rrschte W-nzeslaus von Böhmen,
wcnn man Den Herrschcr nennen kann, der das Reich in den Zustand
wildestcr Gesetzlostgkeit vcrsallen läßt und einen Beinamen crhalten hat,
welcher das Gegenthcil bcdeutet D-ffcn, was Arbeit uvd Pflicht heißt.
Und nun ciöffnel sie ihr scchstes Jahihundert unter eincm kaiscriichen
Schirmer, dcffen Beispiel g-zcigt hat, was die Kraft und die Pfl'chttreue
eines Hcrrschers vcrmögcn, dcr dts Zcit crk-nnt und das Vatcrland liebt,
der durch dicse Tugcnden einen beispieiloscn Thatenruhm geerntet, aber
um Vorthcil der Nation und LeS Fricdens." Anziehend war der Nach-
eis, wic die Ruine d-s Schlossts eine Belcbung d-s Nationalgcfühls
hervorgcrufcn hat mit dem Eingehen aus die D.chtung der Romantiker
und die Einwirkung derselbcn aus daS Studium der nationalen Geschichte.
Der Schluß war eine Huldigung für den derzeitigen R-ktor. Der Vortrag
von Mendelssoha's Lobg-sang biid-te den Schluß der Feicr. Das groß-
herzogliche Paar und der Kronprinz dankten dem Festredner in den
wärmsten Ausdrücken und wiedcrholtem Händcdruck.

Das Festmahl für die Ehrengäste begann im großen Saal des
Museums Mittwoch Nachmittag nach 3 Uhr. Am Rektortisch saß gegen-
über dem Kronprinzen dcr Großherzog von Baden, neben Erstcrcm die
rinzen Ludwig Wilhclm und Karl. Dcr Erbprinz war nicht anwesend.
-ben den Prinzen saßen Kuno Fischer und Mommsen, w-iter Goßler,
lindscheid, R-ye, Minister Hofmann, Prof. Zeller aus Paris; neben dem
-roßhcrzog saßen Prorektor Bekker und der Badische Kultusminister Nokk,
erner Hclmholtz, Gncist, Bunsen, dcr Bcrliner Profeffor Zeller, Lamcy.
s)-n Saal süllten im Ganzen 470 Personen. Das Menu war reich unv
ewählt; von Weinen ist zu ncnnen dte P-rle der Pfalz von 83, Forster
, .rchenstück Ausbruch. Gegcn Ende der Tafel crhob sich der Großherzo g
trnd toastete auf den Deutschen Kaiser als den Hort des Friedens und
zugleich den schützenden FLrdcrer des geistigen Wohlsrgehens der Nationen
nd ihrer Jntereffen. Ein zweiter Trinkspruch des Großherzogs galt
er Hochschule, welchec er sclbst vor 43 Jahren angehört und an welcher
r in Gcmcinschaft mit eincm hochbcgabten Bruder vielfachen Studien
jibgelegen. Die wirksamsten Anregungcri seien der Jugend -u Thcil gc-
worden durch dic Erweckung cines lebhaften vaterländischen Geistes. Heute
sei dcr Jubelunivsrsität die sreudige Genugihuung beschicden, die that-
sächliche Bckundung der Einhcit der Wiffenschaften erleben zu dürfen.
„MLge hcute ein Bund blcibendcr Freundschaft geschloffen werden für
gemeinsame Wtrksamkeit zum Wohle der Völkcr, welche bci diejem Feste
vertreten sind!" In dcm Toaste des Kronprinzen auf den Groß-
herzog hcißt cs: Die Stättc, auf der ich stehe, erleichtcrt mir die Auf-
gabe dcS LuSdrucks meiner Gcfühtc, weil auf der hiesigen Hochschule seit
langer Zeit die Stämme Deutschlands durch ihre Söhne, die hier ihre
Bildung empfingen, cin geistigcs Band schufen, welcheS für die Zukunft
bedeutungsvoll werden sollte. Der Gcist, wclchcr sich von hier verbreitete,
war im eigcntlichen Sinne in der Pcrson des Großherjogs vcrkörpcrt.
Mein Haus bleibt den deutschen Fürsten zu immerwährendcm Danke ver<
pflichtet, weil dieselben einst durch cinen Mund, dcr nun lcidcr für immer
geschloffcn ist, diesem Hausc die Kaiserwürde antrugcn. Aber mit tiefer
Rührung gedenke ich des erlauchten Fürsten, dcr das Wort zum ersten
ledendigen AuSdruck brachte. Der Großherzog lebe hoch!

Fr«nkr«ich.

Dcr „Avrnir Militaire" bringt solgende selisame Mittheilung:
Man unterhält sich ir> der> militärischen Kreisen von cinem Skandal,
d«r sich vor einig-n Jahren in einer Prooinziaiftadt zugetragen
haben soll. Ein Buchhändler soll sich, man wciß nicht, durch
welcke Mittel, Einzelhciten üder die Mobilmachung verschafft und
diese veröffcntlicht haben. Der Kriegsminister, erregt über diese
Ungehöiigkeit, welche beim Emrücken ins Fe!v unscre Streitkcäste
erster und zweiter Linie gesährden könnte, soll hieraus bci d-m
betrrffenden Buchhänbler Schritte gcihan haben, um die Qurlle
zu rrsahren, au» welcher er geschöpst, rmd ihn aufgefordert haben,
diese Veröffcntlichurrg aus dem Verkehr zurückzuzieheir. Man be-
ri f sich aus die patriotischen Gesinnungen des Buchhändlers;
seine Antwort war: ,,Jch bin vor All-m Kaufmann. Jch besitze
cin Staatsgeheimniß; wenn man dassclbe zu wahren wünscht, so
muß man mir Gelb gebcn." Die vcrlangte Summe soll cine
ziemlich hohe gewesen sein.

Die Bcrufung d-s Hcrrn von Lcsseps an dis Aktienbcsitzer
des Panama-Kanals schsint Erfolg zu haben. Wrrugstens
zeichnen viele kleine Leute auf seine neuen Obiigationen.

Natürlich hilft ouch die Presse nach Kräften. ES ist nicht zu
leug-ien, daß L-ssepS durch den Suez-Kanal sich cin fast unbe«
grrnztes Vertrauen bei den kleinen Leuten erworben hat. Da

di- Großfmanz den Sucz-Kanal bekämpste, wurde dersclbe haupt-
sächlich mit Hitfe dcr kleinen Kapitalisten gcbaut, welchc schli-ß-
lich sich trcfflich dabei gestandcn haben. Dics wirki nun auch
für den Panama-Kanal, welchcm außcrdem die jetzige Billigkcit
drS GeldeS sehr zu Statten kommt.

Spanien.

Aus Madrid roird gemeldet, daß der General Salamanca,
Dirrktoc deS KrietzsministeriumS, seine Entlafsunz eingercicht hat
und dieseibc anßenommen worden ift.

Jn Spanien steht die Errichtung von Handclskammern
bcvor. Der bezügliche, in der „Gaccta" vsröffcntlichte Erlaß

brstimmt zunächst, daß die zu viesem Zwecke von Kaufleuten»

Jndustricllen, SchiffSeigenthümern und SchiffSkapitänen gegründetcn
Gescllschasten alS osfizielle Handclskammern belrachtet werden sollen.
Um dicscn anzugehören, ist cs B-dingung, spanischcr Nationalität
zu sein, fünf Jahre hindurch alö Kaufmann, Jndustricller oder
Schiffseigenthümer sür eigene Rcchnung etablirt gewcsen zu sein
und süns Jahre lang Stcuern gezahlt zu haben; Verwalter und
Agenten jedcr mit Handel, JnLustrie oder Seewesen in Ver-
bindung stehenden Anstalt, sowie Kapitäne außer Dienst können

ibnen auch angehören. Die eventuells Verschmelzung mchrerer
Kammern ist gcstattet. Außer der gewöhnlichen Berechtigung
derartiger Jnstituts giebt der Erlaß den Kammern das Rccht der
Jnitiatioe sür Ausstcllungen auf kommerziellem, industriellem,
maritimem und anderem Gebiete und überträgt ihnen die schieds-
richtcrlichen Funktionen für Streiifälle zwischen Kaufleuten. Die
Errichtung von Handelskammern wicd gestattet in allen Hafen,
wo stch ein Zollamt crster Klaffe bcfindet, und in den Stävten
Madrid, Alcoy, Badajoz, Burzos, Cordooa, Granada, Gerona,
Teres, Jaen, Lerida, Sabdell, Tacassa, Murcia, Oviedo, Sala-
manka, Reus, Valladolid, Santiago und Sarazoffa.

Rntzland.

Die „Polit. Nachr." begtnnen auf Grund einer Darstkllung
der „Admiralty and Horse Guards Gazette" eine Reihe von Ar-
tikeln über die Fortschritte der russischen Armee in den
letzten sünf Jahren und hebm die wesentliche Erhöhunz der
Knegsmacht Rußiands sowohl numerisch als durch dis großartigs
Erwciterung der Landcsbesestigung und die Truppmverschiebungen
xegen die deutsche Ostgrenze hervor. Auf Jnitiative Les jetzigen
Kaisers sei die Armee n u uaiformict, dis Kaoalleri« neu organi-
sirt, ein Rcseroe Offizielkorps geschaffen, das Osfizierskorps reorga-
nisirt worden. Die hmtige Armee sei derjenigcn dcs russisch-
türkischen F-ldzuges in Allem überlrgen. Das Hauptverdienst
komme dem Zar und seinem Vertrauensmann, Kciegsminister
Wannowsky, zu.

Wie den „Ruff. Wed." aus Uman berichtet wird, kam es
am 6. v. M. in dsm Flecken Torgowiza im Umanschen Kreise
(Südrußtand) während des dortigen Jahrmarkies zu Ausschrei-
tungen, welchs schließlich in eine Judenhetze ausarlcten. Es
wurdcn binnen kurzer Zeit acht Verkaussbudsn jüdischcr HänLIer
ausgeplündert, dic einen Verlust von 10 000 Rubel an Waaren
zu beklagen haben.

Die russischsn Blätter veröffrntlichen das neue Fabrikgesetz,
welches libcraler ausgesallen ist als der von dem Minister des
Jnncrn dem Rcichsraths vorgelegte Eatwurf zu dem Gesctze.
Ueber Cntschävigung bei Unglücksfällen wiid Folgendes bestimml:
„Erleidet der Arbeiter durch Fahrlässizkeit dcs Arbeitgebers eine
körperliche V-rletzung, so kann er cine Enlschädigungszahlunz
beanspruchen oder, salls dic Verlctzung ihn erwerbsunsähig macht
oder seinen Tod zur Folge hat, seine Familie. Die Normirung
der Summe bleibt den Parteien überlassen, erfolgt aber keine
Emigung, so entscheidet das Gericht. Das Fabr.kgesetz, welches
erst durch das vorbereitete Unsallgesctz vollständig wird, crweift
sich als ein direkles Resultat dcr bedeutenden Arbeiterunruhen
im Gouoernement Wladimir. Der Leiter erner Fabrik, welchsr
sich ungesetzliche Handlungen, dic zu Unruhen führen, zu Schulden
kommen läßt, wird Freih-rtsstrafen unterworfen und cvenluell
auch des Rcchts zur Bekleidung ähnlicher Stsllungen verlustig
erklärt. Herabsetzung des Arbeitslohns, dcr Arbeitstags und
Arbeitsstunden darf nunmehr nicht vor Ablauf der Kontrakte der
Arbeiter eifolgen, oder für die auf unbestimmte Z-it engagirten
Arbeiter nach zwei Wochen vorher gcmachter Ankündigung. Straf-
abzüge kommon bloß sür Vsrjäumnisse und schlechte Arbnt in
Anwendung, werden von den Fabrikinspekioren für alle Fälle
normirt und dürfen für Vsrsäumnisse bci einem Lohn pro Stück
cinen Rubel sür den Tag und drei Rubel insgesammt nicht
übersteigcn. Die doppelt gebuchten Strasabzüge, selbft die sür
schlechte Arbcit, sallen nicht der Fabrikadmmistration zu, sondern
bilden ein Kapital, das mit Genehmigung der Jnspeklion sür
B-dürsnisse der Arbeiter verwandt werdcn kann. Arbeitseinstellungen
und Fabnkunruhen werden nach dem neuen Grsetz, soweit keine
schweren Verbrechcn verübt werden, mit zwei- bis achtmonatlicher
Haft, Demolirung von Fabnk-Eigenthum mit vier- bis sechs-
monatlicher Haft bestraft, dis intellektuellen Urheber eines Streiks
werden in jedem Fall und zwar mit dcm höchsten Strafmaß
bestrast, bloße Thcilnehmer, wenn sie der Ausfordcrung dsr
Polizei, die Arbeit wicder aufzunehmen, sosort Folge lcisten,
gehen aber straflos aus.

Amerika.

Die schaurigcn Nachrichten über die Hungcrsnoth in Labra-
dor scheinm doch mindestens übsrtrieben zu sein. Wcnigstsns ist
aus Neusundland im cnglischcn Ministerium sür die Kolonien eine
vom 30. Juli datirts Depesche des engiichen Gouvcrneurs von
Neufundland eingegangen, welcher melöct, er habe Gcund für die
Annahme, daß die Nachrichten über eine Hungersnoth in Labrador
die Begründung entbehren.

Samue! Tildsn, der Führcr der demokratischen Partei, ist
wie aus New-Aork vom 4. August gemclvst wird, gestorbsn.

Dsr neuerwählte liberale Präsident von Chile ift Josö
Manuel Balmaceda. Derselbe hat sich hervocgethan in der
hochwichtigen Rolle als bsvollmächtigter Minister Chiles in Buenos-
Aires, wo es ihm nicht allein gclang. die seinem Lande halb-
seindlichen Gefinnungen S-itens dsr Acgentimschen R.-publik in
sreundschastliche zu verwaadeln, sondern auch dir Hoffnungen
Perus und BolivienS auf ein Schutz- und Trutzbündniß mit der
Arger.tinischen Rcpublik während drs letzten Krieges dieser drei
Ländrr zu vereitcln. Balmaceda ist erst 46 Jahr alt.

Werkehrswesen und WolkswirlHschaft.

Woehonbovieht öov „Loipzigsv Morr»1sschvift
sürr KoÄetil-Inör»lt»eio^^ (Verlag vorr Metzger, Witlig, Martin
L Komp.) üb-r Moden und Stoffneuheiten. Lcipzig, 3. Anrust.
Für den Fabrikantcn haben Winterrnuster jetzt nicht mehc das Jatercsse
wis früher, dcrsclbr muß bereits an die bevorstehends Somm-rsaison denken
von oielcn Seiten ist sogar mtt dcr Musterung sür nächstsn Sommsr
bereits begonncn worden, naturgemäß drängt sich die Frage auf: Was
wird uns das nächste Frühjahr Ncucs bringen? Wenn die Mods, der wic
jetzt in dcn fashionablen Badeplätzen bcgcgnen, cincn Anhalt bteten kann,
so dürstc sich dcr Gcschmack dcn Strcifenmustcrn vollständig abwenden,
selbst die schottisch karrirten Stoffr wcrdcn weichrn müssen, um jcnen
glattcn, cinfarhigen Geweben Platz zu machen, w-tche als Musternng kleine
und große Blumcn zeigen, set es nun, daß diese in gewebtsr, gcdruckter,
broschirtrr, gestickter odrr jaspirtcr Zcichnung austretsn, Die Silber- und
Goldstickcreicn, mit welchem dlc zartestcn Farben der Mode augenblicklich
erscheioen, werden ihre praktische Anwendung finden für nächstes Früh-
jahr, indem man si- in passcnden Farben auf glatte, fetne Cachemires
überträgt; ncben diesen Blumenmustern werden Arabeskenzeichnungen in
erbabenem Fries auf dem Grundstoff als modern gelten, und zu allen
diescn Stoffen, die als Ueberkleid grtragen wcrden, gehört als Untcrkleid
Taffet, Siciliennc oder Foulard in großen karrirtcn Mustern. Wir sahen
in dtcsem Genre bercits Cachemires in altblauer Farbe, ein Ton zwischen
Marineblau und Grau, dcssen Zeichnungen in einem reichen, warmen
Dunkclgelb gehalten waren, solche bizarre Farbenstellungen liebt die beoor-
stehends Moderichtung. Sehr modern wird ferner die Vsrbindung von
 
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