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Vöge, Wilhelm; Hagnower, Niclas [Ill.]
Niclas Hagnower: der Meister des Isenheimer Hochaltars und seine Frühwerke — Freiburg im Breisgau, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.28045#0025
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2. FRÜHWERKE DES „ISENHEIMERS“ IN SCHWABEN? — VORLÄUFIGES
ÜBER BESTAND UND DATEN DIESES „SCHWÄBISCHEN FRÜHWERKS“.

%/or Jahren bin ich in Schwaben und in der Schweiz auf die Spur eines spät-
T gotischen Bildhauers geraten — eines, den noch keiner wichtig genommen
hatte —, dessen spärliches, verstreutes, ungesammeltes „Werk“ mich — wie das des
Isenheimers! — in Zwiemut brachte, mich zugleich befremdete und bannte. Es mutete
kühl an und funkelte doch von Feuern, blickte, wie edle Leidenschaft blickt, und
konnte wieder ganz nüchtern sehen; es erschien erdig und erhob sich doch über das
meiste Gleichzeitige zum Charaktervoll-Schönen.

Zwar diese Werke im Schwäbischen stachen weit weniger in die Augen als die
bekannten des „Isenheimers“; einzelne hatten wohl wunderliche Kindlichkeiten,
etwas rätselhaft Altertümliches auch, und im Statuarischen traten die spätgotischen
Schwächen hervor. Dennoch schienen mir diese Bildwerke keines gemeinen Spät-
gotikers Werk zu sein, eher das eines Überspätgotikers. Aus der Kraft der Charakter-
schilderung stieg es wie Würze der kommenden Blüte auf, wie ein Vorglanz von
Dürergewaltigkeit.

Ich habe das alles damals wahrgenommen und meine Beobachtungen doch wie
im Schlafwandel damals gemacht. Daß ich Jugend und frühes Mannesalter des „Isen-
heimers“ vor Augen hatte, gewahrte ich nicht; ich habe es erst viel später eingesehen.
Und doch suchte ich ihn. Aber ich suchte ihn wohl in Schwaben nicht, nicht an
steinernen Gehäusen und Konsolen, und gar solchen so früher Zeit.

Denn es war ausschließlich Steinwerk, was ich diesem in Schwaben Tätigen zu-
weisen konnte, sich verteilend auf drei der wichtigsten Stätten spätgotisch-schwäbischer
Plastik, auf Ulm, Ravensburg und Chur (Graubünden).

1. In Ulm gehören ihm zu: die Bildwerke an den unteren Geschossen (Sockel-
und Schreingeschoß) des Ulmer Sakramentshauses (Ulm, Münster, Taf. l)1 2, ein Cy-
klus, umfassend zwei Standfiguren unter den Tragebogen der Treppen (St. Sebastian
und St. Christoph), acht kleinere an deren Geländern, sieben Relieffiguren Liegender
auf deren Brüstungen, das Getier hier wie am Schreingesimse, auf letzterem auch die
zwei Schwebeengel mit Spruchbändern'. Noch abzugrenzen: der Anteil, den dieser

1 Das bisherige Urteil über diese Bildwerke wird bestimmt von der Vorstellung, daß sie
ulmisch seien. W. Lot}, Kunsttopographie Deutschlands, Kassel 1863, II, S. 529; Pfleiderer, Das
Münster zu Ulm, Stuttgart 1905, Sp. 34 und Taf.; J. Baum, Die Ulmer Plastik um 1500, Stuttgart 1911,
S. 96 f.; Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, III3, Süddeutschland, Berlin 1925, S. 538.

2 Der Werkstoff, in dem die sämtlichen Figuren an den unteren Teilen wie auch die drei Stein-

statuen oberhalb des Schreins nebst ihren Sockeln, ja wohl die gesamte Architektur des Ulmer Sakra-

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