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Vöge, Wilhelm; Hagnower, Niclas [Ill.]
Niclas Hagnower: der Meister des Isenheimer Hochaltars und seine Frühwerke — Freiburg im Breisgau, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.28045#0092
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8. DAS WERK UND DIE ÜBERLIEFERUNG. NICLAS HAGNOWER.

Mit des Isenheimers „schwäbischem Frühwerk“ ist zugleich der Unterbau seiner
vita erstellt. Die große leere Stelle auf der Landkarte dieses Künstlerlebens
ist -— wenn auch notdürftig — nun ausgefüllt. Ein Wanderkünstler scheint dieser Bild-
hauer-Architekt bis zu dem Augenblick gewesen zu sein, wo er, ein schon nicht mehr
Jugendlicher, am Oberrhein „zum Dauernden sich gewöhnte“.

Aus dem Wanderbuche seines Lebens ist auch dessen Chronologie zu schöpfen.
Die Daten, die sich ergeben, passen sich denen, die das „Oberrheiniche Spätwerk“ an
die Hand gibt, an. Die des „Frühwerks“ reichen bis 1484.1485 spätestens, so folgerten
wir, wird der Künstler Chur verlassen haben'. Vom Mai 1486 aber datiert das erste
Aktenstück, das die Anwesenheit desselben am Oberrhein vorauszusetzen scheint;
genannt wird er dort erst 1493.

Über den Namen läßt uns das „Frühwerk“ im Dunkeln, so daß der Meister in
seiner glänzenden Namenlosigkeit durch diese Kapitel gewallt ist, und — wie wohl
der Held eines alten Romans — erst gegen den Schluß das Visier öffnet.

An persönlichen Ausweisen bietet das „Frühwerk“ als einzigsten (in Chur)
des Künstlers Handzeichen dar (Taf. 4). Es ist nicht auf ein Meisterschildchen
gesetzt, sondern kurzerhand auf die Rahmung, kann also nicht als Beleg dafür gelten,
daß der Künstler schon damals — etwa in Ravensburg oder Ulm — einer Zunft als
Meister angehört hätte.

Man hat dieses Churer Werkzeichen als das eines Stefan Klain oder Klaindl aus
Freienstadt (i. Bayern?) ausgegeben', der damals Werkmeister (Polier) des Churer
Doms gewesen ist; doch Klaindl’s Zeichen ist uns nicht unbekannt; es ist — ein
ganz anderes^.

1 Denkbar wäre zwar auch, daß der Meister schon vor 1484 sich wieder im Elsaß befunden hätte.

2 A. Simeon, Begleiter d. d. Kathedrale v. Chur, Ch. 1914; Friedr. Jecklin, Anz. f. Schweiz.
Altskde., Zürich 1893, S. 312; R. Rahn, Gesch. d. bild. Kunst i. d. Schweiz, Zürich 1876, S. 535. Nach
Rahn (und Staatsarchivar Kind in Chur) hat sich ein an den Rat von Chur gerichtetes Schreiben Steffan
Klaindl’s erhalten, in dem er sich als Polier (Parlierer) beim Churer Sakramentshause zu erkennen gibt.
Wahrscheinlich hat er, als Werkmeister des Churer Doms, die Aufstellung des Gebäudes, das als Wand-
gehäuse in das Mauerwerk der Kirche eingefügt werden mußte, geleitet, auch die Beschaffung (und teil-
weise Zurichtung) des Steinmaterials. Er wird nirgends als Bildhower, sondern als werchmeister und
stammet} oder auch als Polier bezeichnet.

3 Ein am Ulm er Sakramentshause, in einer Höhe von 8,40 m angebrachtes Stein-
metzzeichen (B. Daun, Ad. Krafft und die Künstler s. Zeit, Bin. 1897, S. 47, Abb.) muß, falls es
auf einen der Steinbildhauer und nicht (wie z. B. die zwei Steinmetzzeichen an Fritj Hammer’s Sakra-
mentshaus zu Hagenau i. E., H. Rott, Oberrhein. Kunst, Jahrg. III, S. 83) das Zeichen eines Gesellen ist,
auf den Meister der Steinstatuen (und deren Sockelreliefs) bezogen werden, die in den Tabernakeln ober-

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