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Vöge, Wilhelm; Hagnower, Niclas [Ill.]
Niclas Hagnower: der Meister des Isenheimer Hochaltars und seine Frühwerke — Freiburg im Breisgau, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.28045#0099
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9. UND DIE LEHRMEISTER UND VORLÄUFER NICLAS HAGNOWER’S?

Die Frage nach dem Lehrer, den Erweckern auch — sonst die erste — erfüllt
hier das Schlußkapitel. Erst mit der Auffindung des „Frühwerks“ ist ja die
Möglichkeit ihrer Lösung gegeben, nur von Ulm und von Chur aus ein Ausblick zu
gewinnen auf das, was weiter rückwärts liegt. Die Sicht, die sich bietet, ist leider
nicht klar.

In das ulmische Sakramentshaus scheinen Erinnerungen an Konstanz hinein-
gebaut zu sein1. Bei der Gestaltung seiner Untergeschosse mit ihrer Treppenanlage,
ihrem großen krönenden Kielbogen möchte die Treppe, die zu nichts führt, der
„Schnegg“ im Nordhaus des Konstanzer Münsters vorgeschwebt haben. Diese einzig-
artige Speicherstiege2 3, das schmuckste Stück Gotik, das in Konstanz sich erhalten hat,
war allerdings schon um 1450 vollendet worden2. Und vergebens würde man trachten,
ihren Zusammenhang mit dem Ulmer Gebäu an der architektonischen Einzelbildung
zu erhärten.

Aber ist’s Zufall, wenn just am Schneck ein Steinbildhauer sich darstellt4, der
im Bejahen des männlich Kernigen, in der Einstellung auf die männliche Charakter-
gestalt dem Isenheimer vorangeschritten ist? Seine stämmigen Prophetengestalten
(Taf. 57) lassen mich glauben, der junge Isenheimer möge hier Eindrücke mitgenom-
men, dieser Konstanzer Altmeister, ihm in manchem Betracht ein Verwandter, Eigen-
stes in ihm ausgelöst haben5.

1 Z. B.: die obere Schreineinrahmung biegt, seitlich an den Wasserschlägen fortlaufend, nach
abwärts um, wie ähnlich an der gemalten (auch vom Meister E. S. gekannten) Maßwerkbrüstung von 1445
über Otto v. Hadiberg’s Grabmal im Konstanzer Münster, M. Wingenroth und K. Gröber, Die Grab-
kapelle Otto’s III. v. H., Freiburg i. Br. (Schauinsland, Bd. 35 und 36). — Das Blendmaßwerk an
der Konstanzer Heiliggrabkirche Taf. 57 ist allerdings das spätere, stammt aus der Zeit Lux
Böblinger’s (seit 1487 Werkmeister des Konstanzer Doms), vgl. Konrad Gröber, Das Konstanzer Münster,
Lindau o. J., S. 63, 173.

2 M. Wingenroth und K. Gröber a. a. 0., S. 46 ff.

3 1438 von einem Meister Antoni, einem Priester begonnen, der 1446 über dem Werke hin-
starb. Ein Schüler vollendete es dann nach des Meisters Plänen, K. Gröber a. a. O., S. 54, 163.

4 in den acht Prophetenfiguren; auch die Reliefs der Brüstungen bieten, nach Draperien wie
Kopf typen, den Frühsachen des Isenheimers Vergleichliches.

5 Auch die Erhabenheiten der Konstanzer Wandmalerei aus der ersten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts mögen seiner Jugend Erwevker gewesen sein (Taf. 57), wie — nicht zuletjt — der in den sech-
ziger Jahren in Konstanz lebende (?), vielleicht seeschwäbische Stecher, der Meister E. S. (H. Th. Bossert,
Monatshefte f. Kunstwiss., III, 1910, S. 287; Max Geisberg, Der Meister E. S., Meister der Graphik,
Bd. X2, Leipzig 1924, S. 9).

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