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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9507#1888
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Der Star ist eine allgemeine typische Erschei-
nung Ves modernen grogstädtischen Kunst- und Ver-
gnügungsbetriebs. Was er ist, deutet das Wort,
Star, Stern, an. Es handelt sich beim Star um
ein Lerhältnis des Künstlers zum Publikum. Star
ist, wer für das Publikum eine unbedingte Attrak-
tion ist. Wodurch der Star dies wicd, bleibt zu-
nächst gleichgültig.

Der Star ist also nicht zuerst Künstler oder Vir-
tuose. Der Künstler will Kunst erzeugen oder ver-
n:itteln, der Virtuose die Meisterschaft seines Kön-
nens zeigen. Beide suchen zuerst dre sachliche Lei-
stung. Sie brauchen das Publikum, den Erfolg
nur, weil ihr Können nur Sinn hat, wenn es für
die Kemeinjchaft da ist. Der Star kann auch
Kllnstler oder Virtuose sein, aber hierdurch allein
wird er nicht züstr Star. Zum Starfein gehört ein
zusähliches Jnteresse an der Person des Stars selbst,
die mit seiner Leistung nicht genügend erklärt wird.
Star ist em Künstler, wenn er für das Publikum
Mode geworden ist und wenn er diesen modischen
Beifall jucht. So kann ein Schauspieler ein vor-
tresflicher Künstler oder Virtuose sein, ohne doch
Star zu werden. Wenn aber das Publikum beginnt,
on ihm ein modisches InterZsse zu nehmen, wenn
es nur sür ibn fein Eeld und seine Zeit opfert,
wcnn der Schauipieler wünscht oder zuläht, daß die
Stllcke um ihn herum geschrieben und gespielt wer-
den. dann ist er ein Star geworden.

Star wird man gewöhnlich nicht durch sich selbst.
Zum Star wird man gemacht. Hier spielt die
Vergnllgungsindustrie eine entscheidende Rolle. Für
sie genügt es nicht, wenn ein Künstler durch seine
Leistung wirkt. Der Kunstbetrieb ist für sie eine
wirtschastliche Frage. Der Künstler ist eine Ware,
deren Nutzwert durch Reklame gesteigert werden
muß. Sie macht den Künstler zum Eegenstand
eines modischen Interesses, macht ihn damit zum
Star.

Die Kunstleistung ist nun keine entscheidende
Voraussetjung mehr. Die Wirkung der Mode be-
ruht nicht auf der Leistung, sondern auf dem neuen
Anrciz, auf dem Wechsel. Darum kann kcin Star,
und sei er der gröstte Künstler, auf die Dauer Star
bleiben. Das modische Interesse geht vorüber.
Dann bleibt dem Künstler nur noch die Geltung,
die ihm durch seine Leistung zukommt.

Darum vereinfacht die Vergnllgungsindustrie die
Starmache, indem sie auf die große künstlerische
Leistung verzichtet. Ein Künstler von Rang ist ihr
oft selbst hinderlich, da er meistens der Kunst die-
nen, in guten Stücken spielen, im künstlerischea
Ensemble wirken will. Es ist leichter, einen Star
ganz vom modischen Interesse tragen zu lassen. Man
stellt eincn Künstler heraus, proklamiert ihn zum
Star, stützt ihn, solange dies wirkt, durch die lau-
teste Rekläme, um ihn dann zugunsten eines neuen
Stars fallen zu lassen. Ob das Publikum hierdurch
getäuscht wird, ob der Star einen kurzen und trüge-
rischen Ruhm mit langer Vergessenheit bezahlt, ist
für die Vergnllgungsindustrie gleichgültig. Für sie
«ntscheidet allein die aktive Bilanz

Noch vor wenigen Jahren schien es, als sei der
Film und sein Erfolg vom Starwesen abhängig.
Star und Filmstar waren fast gleichbedeutende
Worte geworden. Hier hat die nationalsozialistische
Revolution einen entscheidenden Wandel geschaffen.
Der Star im deutschen Film ist heute im Ausster-
bcn. An seine Stelle ist der Filmkünstler getreten.

Dic Verführung zum Starwescn lag zweifellos
im Film selbst begrllndet. Der Film zeigt einen
Ausschnitt aus dem Lebeni er erweckt die Täu-
schung, als handle es stch hier nicht um ein dem
Theaterstück vergleichbares Spiel, sondern um ein
Stück Wirklichkeit, von dem der Zuschauer Zeuge
wird. Der Zuschauer sieht so in dem auftretenden
Kllnstler weniger den Eestalter einer Rolle, als na-
turalistisch einen Menschen, an dessen Schicksalen er
tcilnimmt. Ihn fesselt am Schauspieler oder an der
Schauspielerin mehr der Mensch als der Kiinstler.

Die Fllmindustrie hatte so wcnigcr Interesse an
guten Künstlern als an Eestalten, die das Publi-
kum gerne sah. Wenn das Publikum nicht den
KUnstler, sondern naturalistisch den Menschen suchte,
so mußte dieser Mensch selbst anzichende Eigenschaf-
ten haben. So wurde der Film zum Tummelplatz
der schönen und eleganten Männer und Frauen.
Man brauchre Filmcrscheinungen, nicht Filmkünstler.
Wenn sckion cinmal Ver Star durch ein modisches
Interesse getragen war, so konnte man ihn selbst
zu einem Stück Mode machen; er wurde der Träger
eines Schünheits- und Eesellschastsideals. Datz die-
fer Star auch spielen konnte, war nicht nötig, ja es
xoar dem Star jelbst nicht zuträglich. mehr zu sein,

als schön und elegant. Die Folge war, datz in den
Filmen die sogenannten Hauptrollen nicht gespielt
wurden, sondern hier der Star sich begnügte, dem
Publikum sich mit allein Reizen seiner Person und
seiner Kostüme vorzustellen. Das Spiel beschränrre
sich auf die Nebenrollen, freilich auch mit der llkei-
gung zu einer bestimmten Typisterung, so datz das
Publikum nicht die vielfältige Kunst eines Schau»
spielers, sondern ihn nur in einer bestimmten, im-
mer wiederholten typischen Rolle zu sehen bekam.

Noch vor wenigen Jahren hätte der Filmindu-
strielle in diesem Starfilm die einzige Möglichkeit
des wirtschaftlichen Erfolges gesehen. Das Publi-
kum, sagte er, wolle diese geschönte Wirklichkeit, kein
künstlerisches Spiel sehen im übrigen sei der be-
liebte Name eine Erfolgsgarantie, da das Publi-
kum der Schauspieler, nicht zuerst des Stückes we-
gen den Film besuche. Dies war richtig fllr das
Publikum, datz der Filmerzeuger meinte, für eine
durchschnittlich grotzstädtische Schicht, die den leeren
Modeanreiz sucht. Dagegen gibt es noch ein ande-
res Publikum, die ganze Breite des deutschen
Volkes, datz diese Filmzustände nur in Ermange-
lung eines Besseren hingenommen hat. Als mit
dem llmbruch das Starwesen zurückgedrängt wurde,
als der Film in den Vordergrund trat, der echtes
Leben zeigt, als an die Stelle des Filmstars der
Filmkünstler trat, zeigte sich, datz der Film keines-
wegs an Zugkraft einbützte und an Bedeutung für
die deutsche Kulturgestaltung ungemein zunahm.

Wir sind heute so weit, datz nur solche Film-
namen gelten, mit denen sich der Ruf einer mensch-
lichen und kllnstlerischen Leistung verknllpft. Der
blotze Filmstar ist verschwunden. Vielleicht spielt
cr eine cigentümliche Rolle nur noch in der Nei-
gung des Films, Stars zum Helden feiner Hand-

lung zu machen. Das Ideal der leeren Schönheit
und Eleganz, diese gefährliche Versützlichung, Ver-

Jannlngs oder K. L. Dkehl sind bedeutends
Menschengestalter; wenn Diehl auch als Typus an-
zieht, so wirken hier doch echte Werte, das Bild
«ines herben, aufrechten, tapferen Mannes. Schau-
spielerinnen wie Paula Wessely oder Lüiss
llllrich zeigen, datz das Filmgestcht und die Film-
schönheit gleichgiiltig werden, gegenüber dem tiese-
ren Vermögen, Menschen darzustellen. Die Mode-
schönheit im Film weicht einem neuen Jdeal der
schönen Iugend, und im jungen, srischen, geraden
Menschen, der auch seine Rolle im Filme spielen
soll, erhält das Publikum eine echtere Anschauung
von wahrer Menschenschönheit als in den Dutzend-
helden des Salons und den fatalen Girls, die uns
als Vertreterinnen der Weiblichkeit aufgeschwatzt
werden sollten.

Die nationalsozialistische Revolution hat im Film
den Künstler und die Künstlerin zur Herrschaft ge-
bracht. Freilich darf nicht verschwiegen werden, datz
nun umso dringender der Wunsch laut wird, datz
die Filmhandlung den schauspielerischen Lei-
stungen entspreche. Hier ist weitreichend das alte
Filmklischce noch in 'der Herrschaft. Es liegt hier
eine Aufgabe für den mächtiger gewordenen Künst-
ler. Wenn die Gesinnung eines Jannings sich durch-
setzt, datz der Künstler auf einer seiner würdigen

schönung und Verharmlosung des Lebens ist dem Filmhandlung beiteht, kann auch der zweite Ab

Anspruch gewichen, auf der Leinwand den ersüllten
Menschen und Künstler zu sehen. Künstler wie

schnitt im Kampse um dis Erneuerung des deut-
schen Filmes gewonnen werden.

„566baren"- vrebbucb

kleuterei auk äer ..kountv'

Die Geschichte von His Majesty's Ship „Boun-
ty", auf dem im Jahre 1787 eine bemerkenswerte
Meuterei gegen den Kapitän ausbrach, ist histo-
risch. Trotzdem wäre die Geschichte wohl nie ver-
filmt worden. Die Autoren hätten lange nach Ur-
kunden suchen, sie hätten vielleicht auch nach Tahiti
reisen müsssn, um Steinchen um Steinchen die Ein-
zelheiten zufammenzusuchen. Autoren tun nicht gecn
so viel für ein einziges Drehbnch.

Zwei pensionierte Ofsiziere der englischen Kriegs-
marine, die der Waffenstillstand aufs trockene einer
angemesienen monatlichen Pension gesetzt hatte,
untersuchten aus Liebc und Langeweile die „Bonn-
ty"-Eeschichte. Sie heitzen Hall und Nordbon. See-
männer spinnen gern Earn. Sie füllen auch ihre
Lebensabende gern mit unnützlichen Dingen aus.
Hall und Nordhoff waren die Richtigen. Sie wutz-
ten nicht, datz aus der Meuterei auf der „Bounty"
einmal ein Drehbuch werden könnte. Sie fanden
einfach, datz diese ganze besagte Eeschichte um den
brutalen alten Kapitän Vligh eine der salzigsten
See-stories der Weltschiffahrt sei, von den alten
Phöniziern angefangen bis heute.

Und sie bcschlossen. ein spannendes Keschichts-
werk zu verfassen. Sie schifften sich nach Tahvti
ein und bezogen dort am schönen Strand der Süd-
see eine einsame Hütte. Angeblich, um die At»
mosphäre unmittelbar zu erleben, denn die histori-

«Ucks Xörlbsr ln „l^arl», ckls lVla sck". «euvr k-Ilm ckvr Dobls nota.

ckvr «auptrollen in „IVIeuterel auk cksr

vountv" Metrv-Iüoldivn» tbkaver

sche Meuterei brach in der Südsee aus. Jn Wirk-
lichkeit aber wohl, weil die alten Seebären Hall
und Nordhoff in London zu viele gute Schiffe oor
die wetterfeste Nase bekamen, und wcil sie dann
jedesmal wehmütig wurden, und weil man mit
Wehmut keinen tollen Tatsachenbericht über ver-
zweifelte Männer fertig dekommt. Sa wechselten
wichtige Photokopien von alten Bildern und Ad-
miralitätschroniken über die Ozeane und stapelten
stch hoch bis unter das Röhricht der Südseehütte.

Nach reichlich zehn Jahren fiel einem Film-
mann die Geschichte von der Meuterei auf der
„Bounty" in die Hände. Er las sie gespannt durch.
Er las von dem betrügerischen Kapitän Bligh, der
Brotfruchtbäume nach England bringen sollte, der
seine Mannschaft auf halbe Tagesrationen setzre,
um den Eewinn einzustecken, der seinen Leutnaat
erpresserisch zwang, falsche Angaben ins Bordbuch
zu schreiben. Der Direktor las von der Meuterei,
van wilder Flucht, von einem — den heroischen
Rahmen gebenden — Seegericht nach fünf Iahren,
von der Geburtsstunde der echten Schiffsdisziplin,
die sich auf die gegenseitige Achtung zwischen Osfi-
zieren und Mannschaften gründet. Eine packende
Welt zwischen harten englischen Männern und
»erliebten, verspielten Tahiti-Mädchen fand der
Direktor. Er war begeistert. Er reservierte zwei
Millionen Dollar für diesen Bombensilm. Er enga-
gierte sür die Rolle des brutalen Kapitäns vom
Fleck weg Charles Laughton, der gerade als Hein-
rich Vlll. eincn Weltfilmerfolg hatte. Er holtc sich
als Steuermann Lhristian Llark Eable, den Lieb-
ling der Frauen, und als unschuldig leidenden
Kadetten Byam Franchot Tone, den jungen Hel-
den des „Vengali"-Films. Er kabelte an Hall und
Nordhofs auf Tahiti: „sofort hollyrvood abreisen
stop kosten der metro-goldwyn-mayer stop dreh-
buchauftrag für meuterei bounty stop." — So ka-
men Hall und Nordhoff zum amerikanischen Film.

An dem Film „Meuterei auf der Vounty" wurde
zwei Iahre lang mit Sorgfalt und Energie gear-
beitet. Frank Lloyd, der berühmte Regisseur des
berühmteren Films „Cavalcade", hat die „Me»u
Rota-Kilm terei auf der Bounty" inszeniert.
 
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