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Voss, Georg [Hrsg.]; Lehfeldt, Paul [Bearb.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 3,2): Amtsgerichtsbezirk Eisenach, Die Wartburg — Jena, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.16234#0032
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2

Das Landgrafenhaus.

Die Wartburg. 2

der Wartburg wird trotz seiner imposanten Grösse von 36,28 m Länge und 9,25 m
Breite durch den ehemaligen Kaisersaal Karls des Grossen in der Pfalz zu Aachen
um weit mehr als das Doppelte übertroffen.

Auch die verschiedenen Wohngebäude, deren die Kaiser in ihren Pfalzen für
sich und ihre Familie sowie für die grosse Zahl des ritterlichen Gefolges und
der kaiserlichen Beamten bedurften, waren wesentlich umfangreicher als die Ge-
bäude auf der Wartburg. Aber gerade die Weiträumigkeit der Kaiserpfalzen,
die sich meist in freier Ebene auf unbegrenztem Flächenraum ausdehnen konnten,
hatte die Baumeister dazu geführt, die einzelnen Haupttheile der ganzen Anlage,
(also die Festsäle, die kaiserliche Wohnung, die Palastkapelle sowie die übrigen
Wohn- und Wirthschaftsgebäude) von einander zu trennen. Die verschiedenen
Gebäude wurden zwar durch Arkaden mit einander verbunden. Wir dürfen an-
nehmen, dass auch diese Verbindungsgänge von dem künstlerischen Geist der
Kaiserpfalzen zeugten. Eine Verbindungshalle dieser Art sehen wir in Goslar
in den (allerdings wesentlich restaurirten) romanischen Arkaden, welche den grossen
Saal des Kaiserhauses mit der Kapelle verbinden. Aber die Kaiserpfalz blieb
auf diese Weise ein Gruppenbau, zu dessen Bewachung eine grosse Anzahl
von Bewaffneten erforderlich war. Für den Hofhält der deutschen Kaiser
mochte dies keine Schwierigkeiten bieten. Durch eine Ueberlieferung von vielen
Jahrhunderten war diese Form der Palastanlage geheiligt. Bei den Kaiserpfalzen
lag daher wohl nur selten eine Veranlassung vor, von dieser alten Tradition ab-
zuweichen.

Anders lag dies, wenn es galt, auf einer eng umgrenzten Grundfläche ein
Schloss mit umfangreichen Sälen und Gemächern zu errichten. Dadurch wurde
der Architekt gezwungen, die Haupträume unter einem Dache unterzubringen.

Die Veranlassung dazu konnte sehr verschiedener Art sein. Bei einem
Schloss, das auf dem beschränkten Flächenraum einer Insel als Wasserburg er-
baut war, wurden wohl in einzelnen Fällen der grosse Saal, die Wohngemächer
und die Kapelle in einem einzigen Bauwerk zusammengefasst. Auch in den
steinernen Kemenaten, welche weltliche und geistliche Fürsten sich als Residenz
im Innern der Städte erbauen Hessen, war dies geboten. Das treffendste Beispiel
dafür ist der wehrhafte Palast, den der „reichste Fürst der ganzen Christenheit",
Richard von Cornwallis (deutscher König seit 1257), sich in Aachen als seine
Residenz erbauen Hess.

Bei den Schlössern auf Berges Höhe dagegen war es die Rücksicht auf
die leichtere Verteidigung, welche dazu führte, die Räume für den Burgherrn in
einen einzigen wehrhaften Palast zusammen zu legen. Nicht nur so nahe als
möglich neben einander, sondern in verschiedenen Geschossen über einander.
Auch hier galt es oft. recht grosse Räume zu schaffen. Das künstlerisch be-
deutendste Bauwerk dieser Art ist das Landgrafeuhaus der Wartburg. So ist
gerade auf der beschränkten Baufläche einer Höhenburg die vollendetste Lösung
für die einheitliche Anlage eines Fürstenschlosses im Zeitalter des hohen Mittel-
alters entstanden. Dieser Höhepunkt der Entwicklung wurde erreicht in der-
selben Epoche, als Friedrich Barbarossa die gefeierten Kaiserpfalzen in Hagenau,
Wimpfen, Eger. Kaiserswerth. Seligenstadt, Gelnhausen und Kaiserslautern ge-
schaffen hat.
 
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