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Voss, Georg [Hrsg.]; Lehfeldt, Paul [Bearb.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 3,2): Amtsgerichtsbezirk Eisenach, Die Wartburg — Jena, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.16234#0311
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242

Die Neubauten des 19. Jahrhunderts.

Die Wartburg- 242

wendung der Feuerwaffen des 16. oder 17. Jahrhunderts deutet. Der Thurm
war von einer schlanken, aus Holz gezimmerten Helmspitze bedeckt. Es war
anscheinend ein Nothdach aus den Zeiten des 16. oder 17. Jahrhunderts, ganz
ähnlich, wie man es damals auch an Kirchthürmen anbrachte, die aus den Zeiten
des Mittelalters erhalten geblieben waren. Einige Jahrzehnte später, im Jahre
1666, also bald nach der Entstehung des Kupferstichs von Merian, war der Thurm
abermals so baufällig, dass der obere Tlieil abgebrochen werden musste. 1675
wurde der obere Theil von neuem gebaut, doch um 1715 wieder abgebrochen.
Der Ueberrest, der noch immer fast die doppelte Höhe der Mauern des Land-
grafenhauses hatte, ist kurz vor seinem Abbruch im Jahre 1785 vom Hofbau-
meister Bahr gezeichnet *). Man sieht auf der Zeichnung regelmässige viereckige
Fugen. Doch die Fugen sind meines Erachteus wahrscheinlich nur in dem Mauer-
putz ausgeführt. Das ergiebt sich schon allein aus der unwahrscheinlichen Grösse
der Quadern. Auf die Höhe des obersten Geschosses des Landgrafenhauses
würden dabei vier mächtige Schichten von Quadern kommen, das würde für jeden
Quaderstein eine durchschnittliche Höhe von ungefähr 1 m ergeben. Steinerne
Quadern von dieser Höhe und in dieser Regelmässigkeit der Ausführung sind an
einer deutschen Ritterburg und zumal in so beträchtlicher Bergeshöhe nicht wahr-
scheinlich.

Im obersten Geschoss des jetzigen Thurmes befindet sich das Hauptbecken der
Wasserleitung, die von der Hohen Sonne zur Wartburg hinübergeführt ist.

Der Gadern.

Das neue Fachwerkgebäude, der sogenannte „Gadern", gegeuüber dem Land-
grafenhause ist in den Jahren 1874—77 errichtet. Es enthält Wohnzimmer für
die Kammerherren des Grossherzogs. Das Haus steht an derselben Stelle, wo
sich ursprünglich die ehemalige Hofküche befand. Später wird es das Zeug-
haus genannt, auch als Pferdestall hat es gedient. Zuletzt befand sich darin das
Brauhaus, ein schlichter, kunstloser Fachwerkbau, der noch bis um die Mitte
des 19. Jahrhunderts erhalten war. Das Gebäude ist auf verschiedenen Zeichnungen
des Wartburghofes aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dargestellt, so auch
auf der Photographie, welche die Bauarbeiten an der Dirnitz im Jahre 1866 dar-
stellt. (Abbildung S. 241.) Die Keller des Gadern stammen noch aus den
Zeiten des Mittelalters. Gegenüber dem Landgrafenhause führt eine breite Treppe
in gerader Linie hinab in ein schmales Tonnengewölbe aus Griefenstein, die untere
Hälfte der einen Wand ist aus dem natürlichen Felsen ausgestemmt. Daneben
liegt ein breites Tonnengewölbe. Beide Räume sind so gross, dass sie den ganzen
Umfang des jetzigen Gadern einnehmen.

*) Abbildung der Zeichnung in P. Webers Baugeschichte bei Bau m gärtet, S. 53.
 
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