drucksweisen der damals allherrschenden Affektenlehre deuten klar
auf die psychische Realität der wechselnden „Affekte“, ihre Mitteil-
barkeit und Einfühlungsmöglichkeit. So schreibt Scheibe‘: „Der
Endzweck der Musik ist, die Affekten oder Gemütsneigungen der
Zuhörer nach Erforderung der Umstände zu erregen oder zu
stillen. Um das zu erreichen, muß der Spieler „die Leidenschaften
bey sich selbst empfinden.“ „Denn — so schreibt Q uantz* —
&
sofern er von dem, was er spielt, nicht selbst gerühret wird, so hat
er nicht allein von seiner Bemühung keinen Nutzen zu hoffen, son-
dern er wird auch niemals jemand andern durch sein Spiel bewepen:
welches doch eigentlich der Endzweck sein soll.“ Mit Persönlich-
keitswerten des Interpreten rechnete man also damals durchaus,
bei kammermusikalischen wie bei orchestralen Darbietungen. Das
„Erregen und Stillen der Leidenschaften“ verlangt eine Intensi-
vierung der solistischen Kräfte. Aber auch vom Orchestermusiker
wird ein Sich-Einfühlen und Einfügen in die jeweilige Stimmung
verlangt, was nicht immer leicht gewesen sein wird, da das Rubato-
musizieren, was Hofer“ recht glaubhaft vertritt, eine wichtige
Rolle gespielt haben dürfte. Jedenfalls scheint es fraglich, ob schon
jetzt der „Orchestermusiker zur bloßen Nummer wird“, wie
* sagt. Mindestens im klangfreudigen Süden werden auch
Moser'
die Füllstimmen bald mit Figuren bedacht, die kein geringeres
technisches Können voraussetzen als in der barocken Musikpflege.
Die Einheit, die das motivische Aneinander mit sich brachte,
mußte vom Thema, dem wesentlichen Repräsentanten der neuen
Kunstrichtung, gesprengt werden. Naturgemäß tritt es isoliert auf
den Plan, als Träger eines in sich geschlossenen, musikalischen Ge-
dankens und wirkt in seiner exponierten Stellung für die Großform
7 Kritischer Musikus, 1738 u. 1740, 2. Aufl. 1745, $ I08.
s Ph. E. Bach, Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen,
1762, 3. Aufl. 1921 813
9 Versuch einer Auweisung, die Flöte traversière zu spielen, 1752,
Neuausgabe von Schering I906, 8. 45.
10 Nach H. Hofer, Die Instrumentalwerke Chr. Cannabichs, München
1921. ungedruckt.
11 Geschichte der deutschen Musik, Band 2, 1 8S. 312.
9
auf die psychische Realität der wechselnden „Affekte“, ihre Mitteil-
barkeit und Einfühlungsmöglichkeit. So schreibt Scheibe‘: „Der
Endzweck der Musik ist, die Affekten oder Gemütsneigungen der
Zuhörer nach Erforderung der Umstände zu erregen oder zu
stillen. Um das zu erreichen, muß der Spieler „die Leidenschaften
bey sich selbst empfinden.“ „Denn — so schreibt Q uantz* —
&
sofern er von dem, was er spielt, nicht selbst gerühret wird, so hat
er nicht allein von seiner Bemühung keinen Nutzen zu hoffen, son-
dern er wird auch niemals jemand andern durch sein Spiel bewepen:
welches doch eigentlich der Endzweck sein soll.“ Mit Persönlich-
keitswerten des Interpreten rechnete man also damals durchaus,
bei kammermusikalischen wie bei orchestralen Darbietungen. Das
„Erregen und Stillen der Leidenschaften“ verlangt eine Intensi-
vierung der solistischen Kräfte. Aber auch vom Orchestermusiker
wird ein Sich-Einfühlen und Einfügen in die jeweilige Stimmung
verlangt, was nicht immer leicht gewesen sein wird, da das Rubato-
musizieren, was Hofer“ recht glaubhaft vertritt, eine wichtige
Rolle gespielt haben dürfte. Jedenfalls scheint es fraglich, ob schon
jetzt der „Orchestermusiker zur bloßen Nummer wird“, wie
* sagt. Mindestens im klangfreudigen Süden werden auch
Moser'
die Füllstimmen bald mit Figuren bedacht, die kein geringeres
technisches Können voraussetzen als in der barocken Musikpflege.
Die Einheit, die das motivische Aneinander mit sich brachte,
mußte vom Thema, dem wesentlichen Repräsentanten der neuen
Kunstrichtung, gesprengt werden. Naturgemäß tritt es isoliert auf
den Plan, als Träger eines in sich geschlossenen, musikalischen Ge-
dankens und wirkt in seiner exponierten Stellung für die Großform
7 Kritischer Musikus, 1738 u. 1740, 2. Aufl. 1745, $ I08.
s Ph. E. Bach, Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen,
1762, 3. Aufl. 1921 813
9 Versuch einer Auweisung, die Flöte traversière zu spielen, 1752,
Neuausgabe von Schering I906, 8. 45.
10 Nach H. Hofer, Die Instrumentalwerke Chr. Cannabichs, München
1921. ungedruckt.
11 Geschichte der deutschen Musik, Band 2, 1 8S. 312.
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