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Waldmann, Emil
Lanzen, Stangen und Fahnen als Hilfsmittel der Komposition in den graphischen Frühwerken des Albrecht Dürer — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 68: Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.53417#0018
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sagt, als verständige Wesen überall von selbst bei verschiedenen
Größen vornehmen, indem wir auch im Verschiedenen eine'
Einheit suchen.
Symmetrie und Proportion beziehen sich im wesentlichen
auf Raumteilung. Der Rhythmus, der nun folgende-
Grundbegriff, hat es dagegen mit Zeitteilung zu tun. Rhythmus-
ist eine Bindung innerhalb einer fortschreitenden Bewegung-
Albert von Zahn' definiert speziell den Rhythmus der Linien
so: «Im Rhythmus der Linien stellt sich die wohlgefällige Ver-
sinnlichung einer Bewegung dar, als deren Resultat die
festen Formgrenzen erscheinen, und zwar empfinden wir
bei der Wahrnehmung desselben die ursprünglich in zeitlichem
Verlauf dargestellte Wirkung von Kräften, welche teils zusammen,
teils einander entgegen wirkend, die Existenz der Körper im
Raume bedingen.» —
Die hier kurz definierten Begriffe sind ästhetische Grund-
gesetze. Wir sahen aber, daß sie im Kunstwerk nicht mit aller
Strenge zu befolgen sind, sondern nur eine allgemeine Bedeutung
haben. Es läßt sich in der Kunst nicht alles mit Messen er-
klären, denn diese Grundbegriffe sind ja nicht aus der Meßkunst
entnommen; sondern sie verdanken ihren Ursprung den For-
derungen der Anlage unsres Körpers. In ihnen spiegelt sich der
Mensch: Einerseits ist sein Körper ein einheitlich gefügter, regel-
mäßiger Bau, dessen Teile bis zu einem gewissen Grade sym-
metrisch geordnet sind, was sich besonders in der Zweizahl
der oberen Sinnesorgane (Augen und Ohren) sowie der Extremi-
täten ausdrückt, ferner in den Teilungen des Rumpfes; dann
auch in der Regelmäßigkeit, in der die oberen Sinnesorgane
funktionieren. Aber der menschliche Körper ist zugleich in nicht
meßbarer Weise von seiner inneren, seelischen Kraft durch-
drungen, ein Organismus, dessen höhere Erscheinung mit dem
freien Begriff Harm oni e zu bezeichnen ist. Dürer spricht selbst
einmal von diesem Charakter der Menschennatur. «Dieweil auch
die Maaß des Menschen schwer zu ergreifen ist, nit allein
darum, daß die Figur des Menschen weder durch gericht oder

1 A. v. Zahn, Dürers Kunstlehre und sein Verhältnis zur Renaissance-
Leipzig, 1866. Weigel. S. 17.
 
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