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C. J. Wawra <Wien> [Hrsg.]
Versteigerung einer hervorragenden Sammlung von modernen Ölgemälden und Aquarellen aus dem Besitze des Herrn Dr. Georg Albert und aus dem Nachlasse eines bekannten Wiener Sammlers: Versteigerung: Samstag den 14. März 1908 (Katalog Nr. 211) — Wien, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.20762#0011
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Maler C. P. Knight in London, einem Künstler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
und den „Teich bei Gelieven" von Amand Jamar in Brüssel. Bei den Modernen angelangt,
müssen wir noch das Bild „Ansicht von Gent" von Ferd. Wil laert als eine bemerkens-
werte Leistung hervorheben, sowie die, wenn man so sagen darf, „Studienbilder" von
Rudolf Wytsman aus Brüssel erwähnen.

Hiemit hätten wir so ziemlich allen hier dargebotenen Leistungen auf dem Gebiete
der Landschaftsmalerei Genüge getan und wenden wir uns nun den weiteren besonders
ins Auge fallenden Objekten dieser beiden zur Versteigerung gelangenden Kollektionen zu.

Hier sind es wieder die „Altwiener", mit denen wir beginnen müssen, und zwar
mit einem Werke des früh verstorbenen Fendischülers Karl Schindler, dem ergreifen-
den Genrebild: „Der letzte Morgen eines Verurteilten".

Wie man wissen will, hätte der Künstler dieses Bild zum Zwecke der
lithographischen Reproduktion gemalt. Wir finden auch dasselbe in halber Größe des
Originales von Lanzedelli lithographiert unter der Adresse: gedruckt bei Johann
Höfelich, Verlag und Eigentum von L. T. Neumann in Wien; am linken unteren
Rande des Blattes ist zu lesen: „gemalt von C. Schindler". Weshalb Herr v. Wurz-
bach in seinem Lexikon angibt, Lanzedelli habe diese Lithographie nach einer
Zeichnung angefertigt, während er schreibt, C. F. M er ekel habe das „Gemälde" recht
sauber in Stahl gestochen, ließe sich etwa nur dadurch erklären, daß sich, wie es da-
mals häufig der Fall war, der reproduzierende Künstler, war er nun Stecher oder Litho-
graph als Vorlage für seine Arbeit eine in Sepia oder Tusche ausgeführte Zeichnung
anfertigte, namentlich wenn ihm das Original nicht für die ganze Dauer seiner Arbeit
zur Verfügung gestellt werden konnte.

Das Bild wird hier unter dem Titel „Der letzte Morgen eines Verurteilten"
aufgeführt, während die genannte Lithographie von Lanzedelli den Titel „Der letzte
Abend eines zum Tode Verurteilten" trägt, welche Bezeichnung auch Wurzbach angibt.
Daß es sich um das nämliche Bild handelt, ist außer Frage, da ja auch die Litho-
graphie von Lanzedelli in allen Einzelheiten vollkommen mit diesem Gemälde
übereinstimmt. Durch ein auf dem Bilde links angebrachtes Fenster blickt man ins
Freie hinaus, doch der leicht gerötete Himmel kann ebensowohl dem Morgen wie dem
Abend entsprechen.

Die Uhr steht zwar auf fünf Minuten vor Fünf, was eher auf die Morgenstunde
schließen lassen könnte, da der Maler, dem blühenden Blumenstrauß nach zu urteilen,
sein Drama in den Sommer verlegen wollte.

Das Bild ist mit großer Kraft des Ausdrucks gemalt und voll dramatischen
Lebens. — Der Sohn, der sich offenbar eines Verbrechens in seiner militärischen Stel-
lung schuldig gemacht hat, nimmt verzweiflungsvoll von seinen Angehörigen Abschied,
die sich in tiefstem Schmerze an ihn hängen. Das Format des Bildes ist größer, als es
Schindler gewöhnlich für seine Darstellungen wählte, und daher mag sich auch der
breitere Vortrag und die etwas derbere Art der Farbengebung sowie des Impastos er-
klären lassen.
 
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