Ludwig I.
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Nur eins hat der König und sein Baumeister nicht richtig eingeschäht. Das
ist der Lesefleiß der Bibliotheksbenutzer. Zu der Millionenzahl der Bücher steht
der Lesesaal in keinem Verhältnis. Aber um so größer ist die Achtung vor der
geistigen Arbeit von Jahrhunderten, für deren Schätze ein Königsbau von ehr-
würdiger Größe und überwältigender Bedeutung entstanden ist, eins der bewunderungs-
würdigsten Kulturwerke des Jahrhunderts.
Ähnliche Gedanken bewogen den König, auch der Universität (Abb. zzz) einen
würdigen Bau zu errichten. Erst seit kurzer Zeit hatte die Universität das Kleinstadt-
leben in Landshut aufgegeben und war in die Residenzluft von München eingezogen.
Anfangs fehlte es dem gelehrten Institut, das im Jesuitenkollegium untergebracht
wurde, an einem geeigneten peim, und um dem Ubelstand in gründlicher Meise
abzuhelfen, beschloß der König, am Ende der neuangelegten Prachtstraße, die seinen
eigenen Namen führte, einen großen Universitätsbau. Bei dieser Gelegenheit
erschien es ihm und seinen Räten das einfachste, noch zwei andere Erziehungs-
anstalten, das Klerikalseminar und ein aristokratisches, von Mar Joseph I. gestiftetes
Abb. I.3S. Universität ps^o vollendet).
5>hot. würthle L Sohn.
Mädchenxensionat ebenfalls in Neubauten unterzubringen, die in Stil und Anlage
eine Einheit bilder: sollten. Von Friedrich Gärtner gebaut.
Es war allerdings nicht recht einzusehen, was denn die Trinität dieser Institute
Gemeinsames hätte, außer etwa den allgemeinen Zwecken der Pädagogik. Aber der
Architekt brachte sie doch unter einen put und gab den drei Bauten zu beiden
Seiten des offenen Platzes eine Front von gleichem Charakter, wobei wohl die
Rücksicht auf perkunft und Aufgabe des Klerikalseminars für die Mahl des Stiles
entscheidend war. Ein geistlicher Ernst und eine sakrale Ruhe sind über den stillen
Universitätsplatz ausgebreitet, war es die Erinnerung an die Geschichte der Universität,
die seit ihrer Gründung sich immer geistlichen Schutzes und priesterlicher Gbhut erfreut
hatte, oder war es Entgegenkommen gegen die jungen Kleriker und die sittsamen
Fräulein gegenüber, die Friedrich Gärtner bestimmten, über die Universität und die
beiden Zwillingsbauten vis u vis diese Kreuzgangstimmung auszugießen? Klösterlich
einfache Fassaden mit spröden Rundbogenfriesen und einem herben Verzicht auf
Schmuck und Zierat, kahle wände in einer weltabgeschiedenen und in sich gekehrten
Resignation der Erscheinung, überall eine kluniazensische Geistesarmut der Ausstattung,
die ängstlich jeden pinweis darauf vermeidet, daß diese klassische Bildungsstätte ihre
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Nur eins hat der König und sein Baumeister nicht richtig eingeschäht. Das
ist der Lesefleiß der Bibliotheksbenutzer. Zu der Millionenzahl der Bücher steht
der Lesesaal in keinem Verhältnis. Aber um so größer ist die Achtung vor der
geistigen Arbeit von Jahrhunderten, für deren Schätze ein Königsbau von ehr-
würdiger Größe und überwältigender Bedeutung entstanden ist, eins der bewunderungs-
würdigsten Kulturwerke des Jahrhunderts.
Ähnliche Gedanken bewogen den König, auch der Universität (Abb. zzz) einen
würdigen Bau zu errichten. Erst seit kurzer Zeit hatte die Universität das Kleinstadt-
leben in Landshut aufgegeben und war in die Residenzluft von München eingezogen.
Anfangs fehlte es dem gelehrten Institut, das im Jesuitenkollegium untergebracht
wurde, an einem geeigneten peim, und um dem Ubelstand in gründlicher Meise
abzuhelfen, beschloß der König, am Ende der neuangelegten Prachtstraße, die seinen
eigenen Namen führte, einen großen Universitätsbau. Bei dieser Gelegenheit
erschien es ihm und seinen Räten das einfachste, noch zwei andere Erziehungs-
anstalten, das Klerikalseminar und ein aristokratisches, von Mar Joseph I. gestiftetes
Abb. I.3S. Universität ps^o vollendet).
5>hot. würthle L Sohn.
Mädchenxensionat ebenfalls in Neubauten unterzubringen, die in Stil und Anlage
eine Einheit bilder: sollten. Von Friedrich Gärtner gebaut.
Es war allerdings nicht recht einzusehen, was denn die Trinität dieser Institute
Gemeinsames hätte, außer etwa den allgemeinen Zwecken der Pädagogik. Aber der
Architekt brachte sie doch unter einen put und gab den drei Bauten zu beiden
Seiten des offenen Platzes eine Front von gleichem Charakter, wobei wohl die
Rücksicht auf perkunft und Aufgabe des Klerikalseminars für die Mahl des Stiles
entscheidend war. Ein geistlicher Ernst und eine sakrale Ruhe sind über den stillen
Universitätsplatz ausgebreitet, war es die Erinnerung an die Geschichte der Universität,
die seit ihrer Gründung sich immer geistlichen Schutzes und priesterlicher Gbhut erfreut
hatte, oder war es Entgegenkommen gegen die jungen Kleriker und die sittsamen
Fräulein gegenüber, die Friedrich Gärtner bestimmten, über die Universität und die
beiden Zwillingsbauten vis u vis diese Kreuzgangstimmung auszugießen? Klösterlich
einfache Fassaden mit spröden Rundbogenfriesen und einem herben Verzicht auf
Schmuck und Zierat, kahle wände in einer weltabgeschiedenen und in sich gekehrten
Resignation der Erscheinung, überall eine kluniazensische Geistesarmut der Ausstattung,
die ängstlich jeden pinweis darauf vermeidet, daß diese klassische Bildungsstätte ihre