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Mit dem vorliegenden Kataloge tritt das neugegründete
KUNSTVERSTEIGERUNGSHAUS ADOLF WEINMÜLLER
an die Öffentlichkeit.
Die Neuordnung des ganzen deutschen Kunsthandels verlangt mit innerer Not-
wendigkeit in der führenden deutschen Kunststadt ein Versteigerungshaus, das
schon in seinem organisatorischen Aufbau sich klar vom Kunsthandel absetzt.
Nur durch eine solche reinliche Scheidung kann den berechtigten Anforderungen
der Auftraggeber und Besitzer von Sammlungen naehgekommen und eine völlig
unbeeinflußte Preisbildung gewährleistet werden. Diese freie Preisbildung ist der
begrüßenswerte und notwendige Barometer für die vielfach wechselnde Bewer-
tung alter und neuer Kunstwerke, die nicht etwa nur mit Konjunkturmode zusam-
menhängt, sondern der in jeder Zeitlage nach einer tiefer begründeten Verwandt-
schaft aus einer nach Material und Inhalt, nach Meister und Volk, nach Stil und
Form verschiedene Vorliebe erwächst. Nach den vielfachen Konjunkturschwan-
kungen der letzten drei Jahrzehnte mag ein verantwortungsbewußtes Kunstver-
steigerungshaus den Sammlern und Kunstfreunden eine wesentliche Hilfe und
Unterstützung sein. Zugegeben, daß der Typ des großen Sammlers von den heu-
tigen wirtschaftlichen, sozialen und künstlerischen Verhältnissen nicht begünstigt
wird — auch das wird als eine Erscheinung der Vergangenheit angesprochen wer-
den müssen —; aber damit ist keinesfalls gesagt, daß der mit Kultur und Volk emp-
findende Mensch nicht erst recht danach verlangen wird, den höchsten Ausdruck
menschlichen und volksmäßigen schöpferischen Gestaltens in seine Umwelt her-
einzuziehen. Gerade für ihn wird ja der Eigenbesitz eines kostbaren Werkes eine
durch nichts zu ersetzende Lockung sein. Und nichts ist ein besserer Retter und
Erhalter alten und neuen Kunstgutes als ein verständnisvoller Besitzer.
Dieser erste Katalog des Hauses Weinmüller faßt Kunstwerke aus verschiedenem
nord- wie süddeutschem Privatbesitz zusammen. Gemeinsam war den Vorbesit-
zern die geläuterte Erkenntnis für wirkliches Kunstgut. Neben den großzügigen
Majoliken der italienischen Frührenaissanee (zum Teil aus der ehemaligen Samm-
lung Wilh. v. Bode) stehen repräsentative und seltene Möbel (unter ihnen ein
westfälisches spätgotisches Schmalschränkchen), wohlerhaltene kleinasiatische
Knüpfteppiche und ähnliches wertvolles Einrichtungsgut. Unter den Werken
hoher Kunst ragen die Plastiken und Gemälde hervor. Ein attisches Marmorori-
ginal, ein Athenaköpfchen gehört dem Kreis des Phidias an; unter den nord- und
süddeutschen Plastiken ist eine Muttergottes von Tillmann Riemenschneider (aus
der ehern. Sammlung Noll-Frankfurt). Aus den schönen alten Gemälden seien be-
sonders genannt drei Altartafeln Salzburger Herkunft aus dem weiteren Kreise
Michael Pachers, ein Lukas Cranach, ein Ludwig Richter u. a. Einige große Gobelins
der Manufakturen zu Brüssel, Frankreich und Italien, kleinere Kollektionen wie
Metallgeräte, einige gute Waffen, gotische Buchminiaturen, ostasiatische Arbeiten
und eine größere Kunstbibliothek runden die Bestände ab. Mit gewissenhafter Sorg-
falt und wissenschaftlicher Kenntnis beschreibt der Katalog diese Kunstwerke.
GEORG LILL

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