Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller [Hrsg.]
Katalog / Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, München: Handzeichnungen, Druckgraphik, illustrierte Bücher des 15. - 19. Jahrhunderts: 20. und 21. Mai 1941 — München, Nr. 27.1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8856#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GELEITWORT

Das Glück des Sammlers wächst mit den Jahren, wo Seele und Körper für andere Freuden
stumpfer, werden. Wer sich ein inhaltsreiches Alter schaffen will, beginne früh oder zu
rechter Zeit zu sammeln. Im Hinblick auf die möglichen Freuden des Alters ist ein recht-
zeitiger Beginn der Sammeltätigkeit die weitsichtigste Lebenspolitik.

Alfred Lichtwark: Der Sammler.

Diese Worte Lichtwarks sind vor allem für den Sammler von Handzeichnungen von Belang,
deren Schönheit und innerer Wert sich genußbringend nur dem mit innigem Verständnis
und beschaulicher Ruhe Betrachtenden erschließen.

Erst in den legten Jahrzehnten, ganz besonders nach dem Weltkriege hat das Interesse für
die Künstlerzeichnung wieder eine überragende Bedeutung gewonnen. Vorher galten im
allgemeinen nur Ölgemälde und Skulpturen als die eigentlichen Repräsentanten künstlerischen
Schaffens. Heute werden gute alte Handzeichnungen nicht weniger als die Bilder alter Meister
geschäht > ja sie sind so rar und gesucht, daß man um geringeren Preis ein gutes altes Gemälde
als eine gute alte Zeichnung bekommt. Die Künstlerzeichnung hat nun wieder eine nicht
geringere Bedeutung als im 18. Jahrhundert, wo die Sammellust der größten Mäzene und
der passioniertesten Kunstfreunde darauf gerichtet war. Und wie im 18. Jahrhundert macht
sich heute wieder auch außerhalb der eigentlichen Sammlerkreise ein gesteigertes ästheti-
sches Interesse für die zeichnerische Kunstform geltend. Die Künstlerzeichnung ist zudem
auch der den modernen Lebens- und Wohnverhältnissen am meisten entsprechende Wand-
schmuck geworden. Der intime Reiz einer geschmackvoll gerahmten Zeichnung fügt sich
zwanglos in die raumbeschränkte moderne Wohnung ein und paßt auch gut zu deren
schlichter Innenarchitektur und Wanddekoration; ebenso wie sie seinerzeit in die Pariser
Rokokoboudoirs mit ihren zartfarbigen Seidentapeten und zierlichen Polstermöbeln Eingang
fand. Boucher hat für die Madame de Pompadour als erster Künstler Zeichnungen als
Wandschmuck hergestellt. Auch die moderne Entwicklung der Kunstwissenschaft, welche
vor allem den geistigen Triebkräften des künstlerischen Schaffens ihre Aufmerksamkeit wid-
mete, hat zur erhöhten Wertschäljung der Handzeichnungen beigetragen; denn die Hand-
zeichnung eröffnet als die unmittelbar aus der Seele des Künstlers hervorgegangene Offen-
barungsform seiner Imagnation den Blick in die geistige Werkstatt künstlerischen Schaffens ,
sie hat seit jeher allen Künstlern als unentbehrliches Hilfsmittel gedient und jede Art von
Naturbeobachtung und individueller Formgestaltung hat in ihr ihren ersten Ausdruck ge-
funden. Daher muß auch die Beschäftigung mit der Künstlerzeichnung den Sinn für das,
worauf es in der Kunst ankommt, wecken: die Gestaltung des künstlerischen Gedankens und
der Bildidee. Sinn und Zweck der Zeichnung ist die Niederschrift dieser Bildidee oder der
in ihr eingeschlossenen einzelnen Motive. Und das Motiv in der Form einer Teilstudie,
einer Figuren- oder Kopfstudie zur Darstellung gebracht, gehört auch zu den allseits be-
liebtesten Ausdrucksformen der Zeichenkunst; vor allem in den Kreisen der Künstler selbst,
welche besonders für das Motivische in der Zeichnung seit jeher Interesse bekundeten und
darum auch Zeichnungen bedeutender Meister zu sammeln begannen; so wurde durch
einen Künstler, durch Vasari, die erste große Sammlung von Zeichnungen begründet.
Da alte Zeichnungen außerhalb der großen Sammlungen immer seltener werden, geht auch
jedesmal, wenn unbekannte Bestände zur Versteigerung gelangen sollen, ein Gefühl
gespannter Erwartung durch die Reihen der Sammler und Liebhaber,- es fehlt ja auch bei

IV
 
Annotationen