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DIE KÜNSTBUCHBINDEREI IN DER GEGENWART
er ging weiter. Er ordnete, und das war einer
der wichtigsten seiner Schritte, die Schrift
dekorativ an und verband sie zu dekorativer
Einheit mit denEinbandflächen. MayMorris,
die Tochter von William Morris, zeichnete
für ihn eine eigene Antiqua. Cobden-Sander-
sons Meisterschüler ist Douglas Cockerell.
Er hat eine ganz besondere Meisterschaft in
der Handvergoldung und Lederauflage auf
Maroquin und Nigerleder entwickelt. Neben
diesen beiden sind in England noch manche
andere vortreffliche Kunstbuchbinder am
Werke, so von den älteren Firmen Rivi&re
& Sons (die allein 33 Handvergolder stetig
beschäftigen), Morrell & Co., Coverly & Sons
und vor allen Dingen Alfred de Sauty, die
Binderei der Oxford University Press und
Sangorski & Sutcliffe. Außerdem befassen
sich in England zahlreiche Damen, so die
Guild of Women binders oder Damen wie
Miß Prideau, Birkenruth und Mac Coll u. a.
mit der Kunstbuchbinderei.
Nächst England stellt Dänemark im
Kunsteinbande die stattlichsten Namen, wie
J.L.Flyge,ImmanuelPetersen,AnkerKyster,
Jakob Baden. Sie alle sind nicht nur Tech-
niker, sondern auchKünstler; aber sie wür-
den künstlerisch nicht so hervorragen, wenn
sie nicht in engster Fühlung mit dekorativ
tätigen Künstlern stünden, wie z. B. Anker
Kyster mit Bindesböll, und er und die andern
wieder mit Tegner, Heilmann, Larsen und
Frau Slott-Möller.
Als der Studio 1899 eine Sondernummer
übermoderne Bucheinbändeherausgabund
darin mehr als 100 aus aller Herren Länder
abbildete,war kein einziger aus Deutschland
darunter. Das lag daran,daß das,was damals
in Deutschland für modern galt, der soge-
nannte Jugend- oder Sezessionsstil, in der
Buchbinderei wirklich nur Häßliches er-
zeugt hatte. Bei aller technischen Vortreff-
lichkeit überladen, unfein und unselbstän-
dig, dieses harteUrteil von Rudolf Kautzsch
über die deutsche Kunstbuchbinderei jener
Zeit war leider bitter wahr. Seitdem hat sich
erfreulicherweise vieles gebessert. Unsere
deutschen Kunstbuchbinder sind auf dem
besten Wege, einen künstlerischen und ma-
terialgerechten Stil zu finden. Unterstützt
von erfindenden Künstlern, die wie zu allen
Zeiten so auch heute allein zum neuen künst-
lerischen Stile führen können, haben unsere
Kunstbuchbinder es gelernt, künstlerische
Einbände nachEntwürfen anderer oder nach
eigenen künstlerisch empfundenen, tech-
nisch vollkommen auszuführen.
Wer diejugendhat, der hat die Zukunft:
die erstrebenswerte Vereinigung des Tech-
nikers und Künstlers in einer Person wird
uns die Ausbildung unserer heranwachsen-
den Buchbinder auf unseren Fachschulen
bringen. Zur Kunstbuchbinderei sind nicht
viele berufen,sondern nur die, die wirkliches
Talent für diese schwierige, feine Arbeit be-
sitzen,nur die, die imstande sind,neben voll-
kommener technischer Fertigkeit sich auch
eine wirkliche, echte künstlerische Ausbil-
dung zu erringen. Diesen Zielen strebt die
Kunstklasse an der Fachschule der Berliner
Buchbinderinnung unter der Leitung von
PAUL KERSTEN und LUDWIG SÜTTER-
LIN zu, das gleiche Ziel verfolgt der Lette-
verein mit seiner von Fräulein MARIA
LÜHR geleiteten Buchbinderschule für Da-
men. Tüchtiges Buchbinderhandwerk in
künstlerischemGeiste lehren weiter dieAka-
demie für graphische Kunst in Leipzig, die
Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in
Düsseldorf (neben der die ältere vortreff-
licheFachschule vonPaul Adam wirkt) und
die Schulen in Magdeburg und Elberfeld.
Daß unserefröhlich aufwachsendeKunst-
buchbinderei eine wesentliche Förderung
durch Ausstellungen erfährt, das haben die
Veranstaltungen der letzten Jahre gezeigt.
So die Weltausstellung 1900 in Paris, die
Kunstgewerbeausstellung 1906 in Dresden,
dieFachausstellungen inWien undPragl903,
in Antwerpen 1904, in Kopenhagen und
Frankfurt 1906. Unter ihnen war die Frank-
furter entschieden die bedeutendste. Sie
zeigte, dass uns England technisch und
künstlerisch noch weit vorauf ist, dass aber
die deutsche Kunstbuchbinderei ebenfalls
einer glücklichen Weiterentwicklung im
Geiste der besten Handwerkskunst unserer
Tage entgegengeht.
Lichtbilder begleiteten den Vortrag. Sie
zeigten Einbände von den vorerwähnten
englischen und dänischen Kunstbuchbin-
dern, von der WienerWerkstätte nach Ent-
würfen von Kolo Moser, sowie einer großen
Zahl Arbeiten von Georg Collin, Paul Ker-
sten, Karl Schultze (Düsseldorf), Dann-
horn (Leipzig), Weiße (Elberfeld) und von
i mehreren Schülern der Kunstklasse an der
I Fachschule der Berliner Buchbinderinnung.
Herr PAPAJEWSKI, Obermeister und
Dirigent der Fachschule der Berliner Buch-
binderinnung, dankte dem Vortragenden
und sprach seine Freude über die Aner-
kennung aus, die er der deutschen Kunst-
buchbinderei gezollt habe, betonte, daß
die Fachschule der Berliner Buchbinder-
innung sich bemühe, gerade in ihrer Kunst-
klasse junge Kräfte für dieses Gebiet heran-
zubilden, und dankt dem Vereine, daß er
durch seinen Vortragsabend sowohl den
selbständigen Buchbindern Berlins als auch
den Besuchern der Fachschule Gelegenheit
geboten hat, einen Einblick in das zu tun,
was die deutsche Kunstbuchbinderei erzielt
hat und noch erstreben muß.
DIE KÜNSTBUCHBINDEREI IN DER GEGENWART
er ging weiter. Er ordnete, und das war einer
der wichtigsten seiner Schritte, die Schrift
dekorativ an und verband sie zu dekorativer
Einheit mit denEinbandflächen. MayMorris,
die Tochter von William Morris, zeichnete
für ihn eine eigene Antiqua. Cobden-Sander-
sons Meisterschüler ist Douglas Cockerell.
Er hat eine ganz besondere Meisterschaft in
der Handvergoldung und Lederauflage auf
Maroquin und Nigerleder entwickelt. Neben
diesen beiden sind in England noch manche
andere vortreffliche Kunstbuchbinder am
Werke, so von den älteren Firmen Rivi&re
& Sons (die allein 33 Handvergolder stetig
beschäftigen), Morrell & Co., Coverly & Sons
und vor allen Dingen Alfred de Sauty, die
Binderei der Oxford University Press und
Sangorski & Sutcliffe. Außerdem befassen
sich in England zahlreiche Damen, so die
Guild of Women binders oder Damen wie
Miß Prideau, Birkenruth und Mac Coll u. a.
mit der Kunstbuchbinderei.
Nächst England stellt Dänemark im
Kunsteinbande die stattlichsten Namen, wie
J.L.Flyge,ImmanuelPetersen,AnkerKyster,
Jakob Baden. Sie alle sind nicht nur Tech-
niker, sondern auchKünstler; aber sie wür-
den künstlerisch nicht so hervorragen, wenn
sie nicht in engster Fühlung mit dekorativ
tätigen Künstlern stünden, wie z. B. Anker
Kyster mit Bindesböll, und er und die andern
wieder mit Tegner, Heilmann, Larsen und
Frau Slott-Möller.
Als der Studio 1899 eine Sondernummer
übermoderne Bucheinbändeherausgabund
darin mehr als 100 aus aller Herren Länder
abbildete,war kein einziger aus Deutschland
darunter. Das lag daran,daß das,was damals
in Deutschland für modern galt, der soge-
nannte Jugend- oder Sezessionsstil, in der
Buchbinderei wirklich nur Häßliches er-
zeugt hatte. Bei aller technischen Vortreff-
lichkeit überladen, unfein und unselbstän-
dig, dieses harteUrteil von Rudolf Kautzsch
über die deutsche Kunstbuchbinderei jener
Zeit war leider bitter wahr. Seitdem hat sich
erfreulicherweise vieles gebessert. Unsere
deutschen Kunstbuchbinder sind auf dem
besten Wege, einen künstlerischen und ma-
terialgerechten Stil zu finden. Unterstützt
von erfindenden Künstlern, die wie zu allen
Zeiten so auch heute allein zum neuen künst-
lerischen Stile führen können, haben unsere
Kunstbuchbinder es gelernt, künstlerische
Einbände nachEntwürfen anderer oder nach
eigenen künstlerisch empfundenen, tech-
nisch vollkommen auszuführen.
Wer diejugendhat, der hat die Zukunft:
die erstrebenswerte Vereinigung des Tech-
nikers und Künstlers in einer Person wird
uns die Ausbildung unserer heranwachsen-
den Buchbinder auf unseren Fachschulen
bringen. Zur Kunstbuchbinderei sind nicht
viele berufen,sondern nur die, die wirkliches
Talent für diese schwierige, feine Arbeit be-
sitzen,nur die, die imstande sind,neben voll-
kommener technischer Fertigkeit sich auch
eine wirkliche, echte künstlerische Ausbil-
dung zu erringen. Diesen Zielen strebt die
Kunstklasse an der Fachschule der Berliner
Buchbinderinnung unter der Leitung von
PAUL KERSTEN und LUDWIG SÜTTER-
LIN zu, das gleiche Ziel verfolgt der Lette-
verein mit seiner von Fräulein MARIA
LÜHR geleiteten Buchbinderschule für Da-
men. Tüchtiges Buchbinderhandwerk in
künstlerischemGeiste lehren weiter dieAka-
demie für graphische Kunst in Leipzig, die
Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in
Düsseldorf (neben der die ältere vortreff-
licheFachschule vonPaul Adam wirkt) und
die Schulen in Magdeburg und Elberfeld.
Daß unserefröhlich aufwachsendeKunst-
buchbinderei eine wesentliche Förderung
durch Ausstellungen erfährt, das haben die
Veranstaltungen der letzten Jahre gezeigt.
So die Weltausstellung 1900 in Paris, die
Kunstgewerbeausstellung 1906 in Dresden,
dieFachausstellungen inWien undPragl903,
in Antwerpen 1904, in Kopenhagen und
Frankfurt 1906. Unter ihnen war die Frank-
furter entschieden die bedeutendste. Sie
zeigte, dass uns England technisch und
künstlerisch noch weit vorauf ist, dass aber
die deutsche Kunstbuchbinderei ebenfalls
einer glücklichen Weiterentwicklung im
Geiste der besten Handwerkskunst unserer
Tage entgegengeht.
Lichtbilder begleiteten den Vortrag. Sie
zeigten Einbände von den vorerwähnten
englischen und dänischen Kunstbuchbin-
dern, von der WienerWerkstätte nach Ent-
würfen von Kolo Moser, sowie einer großen
Zahl Arbeiten von Georg Collin, Paul Ker-
sten, Karl Schultze (Düsseldorf), Dann-
horn (Leipzig), Weiße (Elberfeld) und von
i mehreren Schülern der Kunstklasse an der
I Fachschule der Berliner Buchbinderinnung.
Herr PAPAJEWSKI, Obermeister und
Dirigent der Fachschule der Berliner Buch-
binderinnung, dankte dem Vortragenden
und sprach seine Freude über die Aner-
kennung aus, die er der deutschen Kunst-
buchbinderei gezollt habe, betonte, daß
die Fachschule der Berliner Buchbinder-
innung sich bemühe, gerade in ihrer Kunst-
klasse junge Kräfte für dieses Gebiet heran-
zubilden, und dankt dem Vereine, daß er
durch seinen Vortragsabend sowohl den
selbständigen Buchbindern Berlins als auch
den Besuchern der Fachschule Gelegenheit
geboten hat, einen Einblick in das zu tun,
was die deutsche Kunstbuchbinderei erzielt
hat und noch erstreben muß.