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Wiegand, Theodor [Editor]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 2,2): Die Milesische Landschaft — Berlin, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.1029#0034
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Das politische Verhältnis von Leros zu seiner Mutterstadt (s. o. S. 21) Milet ist nicht ganz so klar
wie das von Lepsia. . Die Einwohner nennen sich nicht, entsprechend der Formel von Lepsia, Mi?.r(enot
ot y.aTODwüvis; ev Alpcot. Einerlei, ob der Mythograph Pherekydes mit der Überlieferung bei Suidas ins
V. Jh. oder mit Jacoby F. Gr. Hist. I 386 in hellenistische Zeit zu setzen ist, seine Bezeichnung als i A.äp«n
ist ein Beweis für das Selbständigkeitsgefühl der Stadt; denn er wird sich doch selbst Lerier genannt
haben. Und wie immer man von den wechselseitigen Spottversen des Demodokos von Leros und des
Phokylides von Milet denken mag (Phoc. fr. 1, Demod. fr. 1 Diehl), an deren Alter und Echtheit ich
übrigens bei ihrem wundervollen Witz nicht zweifle, — sie setzen voraus, daß der Lerier sich nicht als
Milesier fühlt und daß der Milesier auf die Leute von Leros mit Verachtung herabsieht; ja für mich
sind sie schwer denkbar in einer Zeit, in der Leros von Milet politisch abhängig war: so hänselten sich
bei uns benachbarte freie Reichsstädte. Der bekannte Rat des Hekataios von Milet an Aristagoras bei
Herodot V 125 aus dem Jahre 498* auf Leros eine Festung zu bauen und ruhigere Zeiten abzuwarten,
setzt wiederum voraus, daß damals Leros milesisch war. Zugehörigkeit zu Milet, aber mit finanzieller
Selbständigkeit, bezeugen die attischen Tributlisten für 454 IG I- 191, 20, wo die MtXlaioi Ijg A£po
eigens mit drei Talenten veranlagt sind; dann, von n. 193 (452/51) ab, figurieren die Mtliatot allein'),
bis nach der Zusammenlegung des ionischen und karischen Kreises wieder äfcXfocoi, Aepoc., Tet/Läctia
gesondert genannt, nun aber gemeinsam veranlagt werden (n. 219, 220, 222, so auch 64,11). Im Jahr 412
zeigt uns die Erzählung des Thukydides VIII 26, 1; 27, 1 Leros im unbestrittenen militärischen Besitz
der von Athen abgefallenen Milesier. Dann haben wir erst wieder "Zeugnisse aus hellenistischer Zeit.
Haussoullier hat sie a. a. O. 128 zusammengestellt; hinzuzufügen habe ich nur ein kümmerliches
Fragment aus der Sammlung im Rathaus der Stadt, das zu dem Typus gehört wie Haussoullier n. 3.
Im Texte des Psephismas für Hekataios (s. o. S. 25), dessen Sanktionsformel leider fehlt, nennen sich die
den Beschluß Fassenden o:. b/ Tfjt yjjaox xa-coixouvte; töv jwXrBBv und o! ot-z-fj-rope; o: £k Aepuu. Diese ■
Wendung beweist, daß Leros keine x61:q ist; doch bezeichnen sie ihre Versammlung als hexKipict. In
späteren Beschlüssen heißt es Asptwv ol -zaTC'.'zoövtEs iv A£pu): — so auch in dem Sanktionsantrag des
neuen Fragmentes — und dann Aiptot ot xatoixoövtg^ äv .\ic,vy. und einfach \ip:o:. Daß in Haus-
soulliers n. 2, dem in Patmos aufbewahrten, von Ad. Wilhelm Arch.-epigr. Mitt. XV (1892) Ö Leros
zugewiesenen Dekret für Aristonikos nur 6 E^tc; und Alptot schlechthin erscheinen, bedeutet keine
Abweichung, da wir nur das Schlußstück des Beschlusses haben. Den Ausdruck Asolwv (oder A£p:o:)
ai y.a-y.v.rtv-ez iv Aipun wird Haussoullier richtig damit erklärt haben, daß es Aiptot, Demengenossen,
welche die Insel verlassen hatten, auch anderwo auf milesischem Gebiet gibt, was ihm sein Material
aus Didyma mit dem öfter vorkommenden z Sstva S^wj Aspiwv empfahl. Das Bild, das man aus diesen
Belegen gewinnt, ist, kurz gesagt, daß Leros zwar zu den Demen von Milet gehört, daß die Leute aber,
stolz auf ihre wenigstens partielle Selbständigkeit, die Wendung MiMjaiw selbst dann vermeiden, wenn ■
sie von ^oJ.trat reden. Zwar haben sie eigene Beamte —-;<,x\l\lz-.z-!>;, %p\)<30v6\y)i —, aber der eponyme
Beamte, der in Haussoulliers n. 3 genannt ist, ist der milesische Stephanephoros, daran ist nicht zu
zweifeln. Der Ausdruck „Kleruchie", den U.Köhler (Abh. Akad. Berlin 1869, 122; 157) undBusolt
(Philol. XLI [1882] 661) anwenden, paßt auf das Verhältnis von Leros zu Milet nicht: staatsrechtlich
sind die rixijtopes insgesamt als MiAVjata anzusprechen.

') Wenn Wilamowitz, G C A 1914. So die Veränderung mit Recht als eine Folge des politischen Umschwungs in
Milet ansieht, ist dieser Umschwung nicht erst 450 erfolgt, wie er und ich (Milet I 3, 158 zu n. 133) nach IG I" 22
angenommen haben. Aber vielleicht hatten die Oligarchen in der Zeit ihres lTi'vmdsdi.-if'.svrTliiUtniss!';; /um athenischen
Demos ([Xcn.] Resp. Ath. 3, 11] die günstigere Regelung durchgesetzt.
 
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