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Wilpert, Joseph [Editor]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0160
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NEUNTES KAPITEL.
Grundregeln zur Auslegung der religiösen Katakombenmalereien.

Um den dogmatischen Werth der coemeterialen Fresken auf das geringste Mass
hinabzudrücken, haben einige Gelehrte dieselben als das Produkt einer mehr oder
minder gedankenlosen Nachahmung der im ganzen Alterthum verbreiteten Sitte, die
Gräber zu schnjücken, hinzustellen versucht. Dass die altchristlichen Maler z. B. das
Opfer Abrahams abbildeten, sei einzig und allein deshalb geschehen, weil das Opfer
der Iphigenie in der antiken Kunst sie daran erinnert habe; die Bilder des schlafenden
Endymion hätten die des Jonas, jene des widdertragenden Hermes die des Guten Hirten
hervorgerufen u. drgl. mehr. Nach diesen Gelehrten wäre also dem Gros der Kata-
kombengemälde eine rein ornamentale, höchstens historische Bedeutung beizumessen.
Eine zweite Klasse von Gelehrten, welche der ersteren an Mitgliederzahl nicht nach-
steht, ist in das andere Extrem gefallen, indem sie für alles, auch für ganz zufällige,
nebensächliche Details eine «symbolische» Deutung bereit hält: man zählt die Äpfel
an dem «Baume der Erkenntniss», beachtet die Stellung und die Farbe der Schafe
und die Bäume auf den Bildern des Guten Hirten, merkt auf die Art der Thiere, die
im Auditorium des Orpheus vertreten sind u. s. f.: alles Dinge, welche einen tiefen Sinn
bergen sollen. Während bei diesen Archäologen die alte Symbolik in einen gelehrten
Zeitvertreib, in eine süsse Tändelei ausartet, schrumpft sie bei den ersteren fast zu
einem bedeutungslosen Nichts zusammen.

Es liegt auf der Hand, dass ein Ausgleich zwischen zwei so grundverschiedenen
Richtungen nicht möglich ist. Zum Glück braucht man ihn auch nicht anzustreben,
da beide auf einem andern Boden als dem eines gründlichen Studiums der Monumente
entstanden sind. Ohne auf die angedeuteten Meinungen, welche bei ernsten Archäo-
logen kaum anzutreffen sind, Rücksicht zu nehmen, wollen wir die Grundsätze, die
bei der Auslegung der coemeterialen Gemälde massgebend sein müssen, darlegen.

Als obersten Grundsatz, als erste Pflicht hat der Interpret beständig im Auge zu
behalten, dass er Bilder, welche Grabstätten schmücken, erklären soll. Die Funeral-
symbolik ist ganz von der Heilsidee beherrscht und durchdrungen. Alles bezieht
 
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