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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0499
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Die Darstellungen von Verstorbenen in der Seligkeit. 479

Rande der Quelle lag, füllte sie als wenn er Durst hätte, und reichte sie mir. Ich
trank mit Lust; und als ich « Gott sei Dank » sagte, erhob ich mich vom Lager,
durch die eigene Stimme aufgeweckt».1 Hier wie in der andern Vision hat das
Wasser jene Bedeutung, in welcher es die Heilige Schrift selbst so häufig braucht:
es ist eine Anspielung auf die ewige Seligkeit. Es mag genügen, auf eine
Stelle aus der Offeiibavunghinzuweisen. Das Loos der Seligen schildernd, die «aus
grosser Trübsal kamen und ihre Kleider gewaschen und weiss gemacht haben im
Blute des Lammes», sagt der Seher: «Sie werden nicht mehr hungern noch dürs-
ten; ... denn das Lamm in der Mitte vor dem Throne wird sie weiden und zu den
Quellen des lebendigen Wassers führen ».2

Wir haben gesehen, wie die coemeterialen Künstler die Bitte um Erfrischung
durch das Bild des Brunnens der Samariterin zum Ausdruck gebracht haben; die Er-
füllung dieser Bitte ist einmal, auf dem Fresko der pecorelle in San Callisto, dar-
gestellt.3 In der Mitte der schönen Komposition steht als Hauptfigur der Gute Hirt,
welcher die Seele des Verstorbenen zu der in einer bunten Reihe aufgestellten Heerde
der Auserwählten gebracht hat. Zwischen den letzteren befinden sich zwei mit den
Gewändern der heiligen Gestalten bekleidete Männer, die den gleichen Gestus, wie
auf dem Nachbarbilde der trinkende Jude im Quellwunder,4 machen: sie fangen mit
den Händen hastig Wasser auf, welches einem Felsen entströmt. Sie fangen es natür-
lich nur deshalb auf, weil sie, wie der Jude daneben, davon trinken wollen.5 Die
beiden Männer sind also Selige, die sich an den Quellen des lebendigen
Wassers erfrischen. Das Fresko stammt aus der zweiten Hälfte des 4. Jahr-
hunderts.

In denselben Gedankenkreis führt uns das Bild, welches zwei Hirsche an der
Springquelle darstellt (Taf. 150, 3). Es wurde kurz vor 340 gemalt und ist heute
sehr beschädigt, aber in der Hauptsache noch deutlich zu erkennen. Das Wasser
der Springquelle schiesst hoch empor und fällt zu beiden Seiten, die Hirsche erfri-
schend, herab. Der Maler hat sich offenbar an dem Psalmenvers (41, 2): «Gleichwie
ein Hirsch verlanget nach Wasserquellen, also verlanget meine Seele nach dir, o Gott! »
inspirirt, in welchem David seiner Sehnsucht nach Gott Ausdruck verleiht. Dass die
Symbolik des Wassers die Zeit der Katakomben überdauert hat, beweisen die folgen-
den Worte, mit denen der hl. Augustin die Seligkeit seines durch den Tod ihm entris-
senen Freundes Nebridius beschreibt: «Jetzt lebt er immerdar im Schosse Abrahams.
Was die Heilige Schrift auch immer unter dem Schosse Abrahams verstehen mag,
Nebridius lebt jetzt, dieser süsse Freund meines Herzens: ... ja, er lebt. Welcher
andere Ort könnte auch die Wohnung einer Seele sein, wie die seinige ist! Er ist
also in dem Vaterland der Seligkeit; ... seine Seele schöpft aus der Quelle deines un-

' Passio Ss. Mariani et Jacobi, ed. Franchi, 53 ff. 5 Über die Bedeutung, welche die Archäologen,

" Off., 7, 16 f. nach de Rossi's Vorgang, dem Fresko gewöhnlich

' Taf. 236. beigelegt haben, siehe meine Sakramentskapellen,

< Taf. 237, 2. S. 41 ff.
 
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