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Zweites Kapitel. Die Taufkirche des hl. Johannes in Neapel. 245

Konstantin d. Gr. (f 337) zu oder führt sie auf den Bischof Sever, der in der zweiten Hälfte
des 5. Jahrhunderts, oder auf den Bischof Vinzentius zurück, welcher ein Jahrhundert später
gelebt hat. Wir können uns auf die Wiedergabe der als autoritativ geltenden Ansicht
Eugen Müntz' beschränken, welcher bei aller Anerkennung, die er den Mosaiken zollt,
auch große Mängel an ihnen entdeckt und sich deshalb für die Zeit Severs, also für die
zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts, entschieden hat. „Ein Abgrund", schreibt er, „trennt die
Mosaiken des Mausoleums der Konstantia und diejenigen unserer Taufkapelle. In dieser
bemerkt man nicht bloß ausschließlich blaue Hintergründe, sondern einen reichen Gebrauch
von Gold sowohl in den Gewändern als auch in den Akzessorien, was ein unleugbares
Merkmal des Verfalles der Kunst ist. Die Wahl der Gegenstände, der Stil der Kompositionen
sprechen ebenfalls für eine spätere Zeit als das 4. Jahrhundert. . . . Dazu kommen mehrere,
den Christen der ersten Kirche absolut unbekannte Motive, z. B. die Symbole der Evangelisten.
Diese Symbole erscheinen erst seit dem 5. Jahrhundert"1 usf. Unsere Ausführungen haben
weiter oben (S. 219) gezeigt, daß gerade die Sinnbilder der Evangelisten zu den Sujets ge-
hören, welche in den Zyklen der Baptisterien an erster Stelle zu figurieren hatten. Die
Bedenken wegen der Neuheit eines Gegenstandes sind im allgemeinen gewiß nicht zu unter-
schätzen, aber für gewöhnlich mit Vorsicht vorzubringen; denn eine Szene, die heute noch
unbekannt ist und in einer späteren Periode aufgekommen zu sein scheint, kann durch einen
plötzlichen Fund als eine zu dem altchristlichen Kunstkreis gehörige erwiesen werden. So
war es bei der oben (S. 216) erwähnten Rettung Petri aus den Fluten, so auch bei der
Segnung der Söhne Josephs, von der ich später eine Abbildung bringen werde. Der zweite
Einwurf, der auf einer nicht genügenden Schätzung des Stiles beruht, hat darin seinen Grund,
daß Müntz die Mosaiken in der Zeit sah, als sie noch übermalt und durch die Ergänzungen in
Stuck entstellt waren. Sein Urteil würde sicher ganz anders ausgefallen sein, wenn er sie
nach ihrer Reinigung gesehen hätte. Über die durch den Gebrauch der Goldwürfel und
die blaue Farbe der Hintergründe verursachten Bedenken dürfen wir hinweggehen; wir
wissen jetzt, was wir davon zu halten haben2. Übrigens ist es nicht ganz richtig, daß im
neapolitanischen Baptisterium alle Hintergründe blau sind; denn sowohl in dem Ring als
auch in den Rippen ist der Hintergrund golden und bei den Aposteln stark gelichtet. Da-
durch wurde eine wohltuende Abwechslung erzielt.

Die Gründe, welche Müntz geltend gemacht hat, um die Mosaiken der Taufkapelle in
die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts zu datieren, sind demnach nicht stichhaltig; es steht
nicht bloß nichts im Wege, sondern alles — Stil, Technik, Inhalt und Kompositionsweise —
vereinigt sich, um sie für das 4. Jahrhundert zu reklamieren. Der Abgang des Nimbus bei
der Figur des Engels berechtigt sogar, sich der Zeit Konstantins zu nähern; denn auf einem
zömeterialen Fresko aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts ist der die drei Jünglinge

1 Notes sur les mosaiques chretiennes en Italic, in Revue arch. 1883, I 21 f. 2 Siehe oben S. 12 f.
 
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