Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
141

Wissen, Glauben und Anschaucn einander „ergänzen" könnten.
Die Wahrheit ist, daß Kant als die Ausgabe der Philosophie
die Besinnnng aus die „Principien der Vernunft", d. h. auf
die absoluten Normen bestimmt hat und daß diese, weit ent-
fernt durch die Regeln des Denkens erschöpft zu sein, erst durch
die Regeln des Wollens und des Fühlens ihren Abschluß sindet.
Jn der Besinnung auf die höchsten Werthbestimmungen sind
die Normen der Wissenschaft nur ein Theil: neben ihnen gelten,
selbständig und völlig unabhängig davon, die Normen deS sitt-
lichen Bewußtseins nnd des ästhetischen Gefühls. Gleich tief
wie die Wurzeln unseres Denkens liegen in der Vernunst die-
jenigen unserer Sitte und unserer Kunst; erst aus allen dreien
zusammen bildet fich — nicht ein Weltbild — fondern das
normale Bewußtsein, welches mit „Nothwendigkeit und Allge-
meingiltigkeit" über dem zusälligen Ablaus individneller Lebens-
bethätigung als deren Maß und Ziel stehen soll.

So erkennt in dem größten Philosophen die Wissenschaft
neben sich als die bestimmenden Müchte der höchsten Wahrheit
das ethische und das ästhetische Vewußtsein an. Sie begrüßt
zu hoher Verbindnng das Pslichtbewnßtsein der Gesellschaft und
den Genius dcr Kunst. Sie spricht eben damit das Gesammt-
bewußtsein der modernen Cultur aus, und durch die Umbil-
dung, welche fie mit dem Begriffe der Erkenntniß selbst vor-
nimmt, gewinnt sie die Möglichkeit, die Widersprüche zu ver-
söhnen, welche in den Grundlagen des modernen Vewußtseins
enthalten waren.

Das ist das neue System der Philosophie, welches Kant
geschaffen, wclches die Kritik der reinen Vernunst begründet
hat. Die einzelnen Lehren, mit denen Kant, gerade in dem
Grundwerke, diese völlig neue Ausgabe aus den Voraussehungen
des srühercn Denkens herausentwickelte, lassen vielfach die Spuren
ihres sehr verwickelten Ursprungs sehen. Einige davon sind schon
 
Annotationen