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zerbröckelt, cmdere werden zerbröckeln; der neue Begriffsapparat,
in welchem die „Norm" oder die „Regel", wie Kant sagte,
den Mittelpunct bilden wird, ist erst im Entstehen; von der
neuen Ausgabe, die damit stir die Philosophie geschaffen ist,
haben nur wenige bisher eine klare Borstellung; wie der Sin-
nenschein trotz der Einsicht des Copernicns immer den Aus-
gang und den Untergang der Sonne lehren wird, so bleibt
auch iin populären Bewußtsein immer die Erkenntniß ein Bild
von Dingen und ihren Verhältnissen — — für die Philosophie
aber wird niemals wieder das Jdeal verschwinden, daß sie be-
stimmt ist, das Gesammtbewußtsein von den höchsten Werthen
des Menschenlebens zu sein. Jn diesem Sinne ist die kantische
Philosophie nicht nur theoretischer JdealiSmus als die Lehre,
daß alle Erkenntniß in der normativen Gesetzmäßigkeit der Vor-
stellungen besteht, sondern auch practischer Jdealismus: sie ist
die Lehre von den Jdealen der Menschheit. Jn diesem Sinne hat
sie aus ihre großen Zeitgenossen gewirkt, in diesem Sinne wird sie
bestehen bleiben: — dies ist der „Geist" der kantischen Philosophie.

Langsam, ost unvermerkt hat dieser Geist das europäische
Denken durchdrungen; an manchen Stellen ist er zur vollen
Erscheinung gekommen, an anderen arbeitet er mühsam gegen
die alten Vorurtheile, an anderen erweist er sich als die sieg-
reiche Krast gerade durch die Umgestaltung, welche durch ihn
die ihn bekämpfenden Richtungen ersahren. Wenn man auch
den wahren Sinn der durch Kant gewonnenen Umgestaltung
des Denkens nicht überall verstanden hat, — seine tiefgreifenden
Wirkungen liegen am Tage. Sie zeigen sich vor Allem in der
Gestaltung des wissenschastlichen Lebens. Wo nach ihm, sei es
in dem unbewußten Dilettantismus, der aus einzelnen Wissen-
schasten „philosophische" Consequenzen zu ziehen glaubt, sei es
in der Energie hochstrebenden Nachdenkens das Phantom wieder
ausgetaucht ist, als ließe sich ein sertiges Weltbild, hier mate-
 
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