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beruht die Schöpsung der iumiateriellen Welt in Platows Lehre,
beruht der teleologische Gruudriß der Weltbetrachtung in seinem,
wie in dem aristotelischen System. Aesthetisch, wie in der
krystallenen Bildung ihrer sprachlichen Form, ist die griechische
Philosophie in der Harmvnie der Linien ihres Weltbildes, in
der maßvollen Geschlossenheit ihrer Lebensanschauung, in der
schönen Abrundung ihres gesammten Vorstellungssystems. Wah-
rend sie nur mit den Mitteln wissenschastlicher Erkenntniß eine
Weltanschauung zu schaffen glaubt, särbt sie dieselbe mit dem
Lebenssafte griechischer Sittlichkeit und griechischer Kunst. Un-
willkürlich flicht sie in das Gewebe der Vorstellungen den Ein-
schlag ihrer ethischen nnd ästhetischen Jdeale hinein. Auch sie
findet den Abschluß ihrer Welterkenntniß, die ihr als Welt-
bild im Kopse des Menschen erscheint, nur dadurch, daß sie
die Einsicht der Wissenschast mit der Sehnsucht des sittlichen
und des künstlerischen Triebes befruchtet.

Aber das alles sind in ihr unbewußte Denkmotive, un-
willkürliche Associationen, die mit wissenschaftlichen Gründeu
verwechselt werden. Wenn nun jedoch Kant, mit Verzicht aus
das von den Griechen gesuchte „Weltbild", das Wissen von den
Jdealen gleichmäßig aus das theoretische, das ethische und das
ästhetische Bewußtsein ausdehnte, wenn er die Normalität, die
das Objeet der Philosophie ist, ebenso sehr in Sitte und Kunst
wie im wissenschastlichen Denken suchte, was that er anders,
als aus dem reiferen Standpuncte, im Zusammenhange seines
neuen Begrisfssystems dasjenige bewußt zu verlangen, was die
griechische Philosophie unbewußt mit ihren Begriffen gethan
hatte? So ist also die deutsche Philosophie das sertige
Bewußtsein dessen, Was als unwillkürlicher Denktrieb in der
griechischen Philosophie sich entfaltet hatte; jene hat in der
Reflexion und deshalb in ganz neuer Form dasjenige, was
diese unbewußt ausübte.
 
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