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auf die Einseitigkeit und innere Zerfahrenheit deZ modernen
und speciell des deutschen Lebens. Der Mann, der dies Buch
schrieb, war seiner Gegenwart aus das Tiefste entsremdet, er
krankte unheilbar an der Sehnsucht nach einem Lande der
Schönheit, das er iu dem antiken Griechenland zugleich gefunden
und aus ewig verloren zu haben glaubte.

Aber dieser unlösbare Gegensatz, mit dem der Hyperion
schloß, war auch nur ein idealer Ausdruck sür das tragische
Geschick, dem der Dichter selbst verfiel und das sich mehr und
mehr der Vollendung nahte. Das Verhältniß zu dem Gontard-
schen Hause ging mit natnrlicher Nothwendigkeit einer Krisis
entgegen, welche sich im September 1798 vollzog. Aus Frank-
surt entslohen, sand Hölderlin zunächst bei seinem Freunde
Sinklair in Homburg Ausnahme, begab sich später aus dessen
Veranlassung zur Zeit des Congresses nach Rastatt und kehrte
dann nach Homburg zurück. Alle Pläne, die er zur neuen
Gestaltung seines Lebens machte, die Begründung einer Zeit-
schrift, eine Habilitation in Jena u. s. w. zerschlugen sich theils
an den äußeren Berhältnissen, theils an der Mattigkeit und
Krastlosigkeit, der er versallen war. So ging er denn im
Sommer 1800 nach Nürtingen zu seiner Familie. Später
finden wir ihn in Stuttgart, dann eine Zeit lang in Hauptwil
bei Constanz, und am Ende des Jahres 1801 nahm er eine
Hauslehrerstellung iu Bordeaux an. Mit dieser Flucht aus dem
deutschen Dasein breitet sich das Dunkel über sein Leben.
Wie es ihm dort ergangen, wissen wir nicht, und als er im
Sommer des folgenden Jahres wieder in Deutschland erschien,
hatte sich die Katastrophe, die in seinem Wesen vorgezeichnet
war, unrettbar an ihm vollzogen. Der Dichter Matthison,
der ihn früher gekannt, schilderte später mit Entsetzen, wie
eines Tages die Gestalt des einstigen Apoll elend uud
zerlnmpt mit allen Zeichen der Verstörung in sein Zimmer
 
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