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getreten sei, mit sürchterlicher Kälte nur das Eine Wort:
„Hölderlin" ausgestoßen habe und dann wie eine Erscheinung
wieder verschwunden sei. Bald daraus langte er mit tobenden
Geberden im Zustande verzweifelten Jrrsinnes bei den Seinen
an. Es stellte sich heraus, daß er im Juni plötzlich Bordeaux
verlassen und in der brennenden Sonnenhitze über Paris durch
ganz Frankreich gewandert war. Vielleicht hatte ihn die Nach-
richt von Diotima's Krankheit noch in Bordeaux, diejenige ihres
Todes in Paris erreicht; jetzt war die Blume seines Daseins
geknickt sür immer. Zwar schien er sich unter der Pflege der
Mutter erholen zu wollen. Das Licht seines GeisteS flackerte
noch einmal aus, um dann sür immcr zu crlöschen. Er begann
wieder zu dichten, er beschäftigte sich mit einer Uebersetzung
und Commentirung des Sophokles, er arbeitete den Pindar durch.
Unter diesen Umständen schien eine einfache Bcschästigung sür
ihn das Beste. Freund Sinklair wußte wieder Rath. Durch
seine Vermittelung Lot dem scheinbar Genesenden der Landgras
von Hessen-Homburg eine Anstellung als Bibliothekar an, zu
deren Uebernahme er im Sommer 1804 nach Homburg über-
siedelte. Allein sein Zustand begann nach kurzer Zeit sichtlich
sich mehr und mehr zu verschlimmern, und im Herbst 1806
mußte er in die Tübinger Klinik geschafft werden. Es ergab
sich, daß sein Zustand zwar ungesährlich, aber hoffnungslos
sei, und so wurde er im solgenden Jahre bei einem Tischler-
meister untergebracht. Unter dessen freundlicher Pflege, welche
später von dessen Wittwe sortgesetzt wurde, sührte er in der
Stille ein inhaltloses Dasein. Denn die Nacht, die seinen
Geist gefangen hielt, ist nicht wieder von ihm gewichen und
hat ihn noch 36 Jahre lang umhüllt.

Ueber die Art und die Gründe dieses Wahnsinnes haben
wir nur spärliche Berichte. Die ihn beobachtet und geschildert,
waren Laien, welche aus die wesentlichen Symptome ihr Augen-
 
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