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gleichen Richtung ausgefuhrt worden war. Er stand aber zu-
gleich in der innigsten Beziehung zu dem Character der da-
maligen deutschen Bildnng, deren tvichtigster Zug gerade die
universalistische Tendenz war. Als die hauptsächlichsten Ver-
treter derselben sind die Romantiker bekannt. Sie haben nicht
nur ans dem Gebiete ihrer literarischen Thatigkeit und nament-
lich in der Poesie, Literaturgeschichte und Philosophie sich die
Ausgabe einer Verarbeitung aller großen Schöpfungen gesetzt,
welche der menschlichc Geist in seiner Entwickelung je hervor-
gebracht hat, sondern. auch vor Allem das Princip ausgestellt,
daß das ästhetischc, wissenschaftliche, religiöse und staatliche
Lebcn des Menschen wieder in eine große Einheit harmonisch
zusammenschmelzen müsse, daß das Jndividuum seine Aufgabe
nur aus dem Grunde eincr universalistischen Bildung und
in der vollkommenen Einheit mit der gesammten Cultur zu
lösen vermöge. Gcnau die gleiche Tendenz bestimmte das ganze
Wesen von Hölderlin, und Haym hat deshalb vollkommen recht
gethan, ihn in seiner meisterhasten Darstellung der rvman-
tischen Schule als cinen Seitensproß derselben zu behandeln,
obwol der einsamc Schwabe mit ihr in keiner directen und
persönlichen Vcrbindung stand. Aber während die Romantiker
wenigstens den Versuch machten, dieses Jdeal der universali-
stischen Cultur des Jndividuums zu realisiren, verzweiselte
Hölderlin an der Möglichkeit der Verwirklichung desselben. Nur
in der antiken Welt sah er es realisirt; nur der Grieche war
in diesem Sinne der volle und unverkümmerte Mensch. Das
moderne Dasein zeigt Staatsmänner und Bauern, Dichter und
Denker, Kausleute, Handwerker, Bcamte, kurz.lauter Leute des Be-
russ, aber eincn Mcnschen sucht man darin vergebens. Deshalb
nimmt bei Hölderlin die universalistische Tendenz einen patho-
logischen Character und eine elegische Färbung an. Jhr Jdeal
ist in dem modernen Leben nicht mehr zu realisiren, aber es
 
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