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unsere Kinder, ohne ihnen die Verarbeitung der verwirrenden
Mannichfaltigkeit, zu deren Anfnahme wir fie zwingen, gleich-
mäßig zu ermöglichen. Am gefährlichften ist es deshalb, wenn
mit der Häufung des blvß zu lernenden Stoffs eine Einfchrän-
lung jener formalcn GeifteSgymnaftik einhergeht, welche wir
bisher zu unserem Segen dem Einleben in die Sprachc und
das Denken der Griechen und Römer verdankten. Jene Männer
der Natursorschung, welche diesen Reft gleichmäßiger Bildungs-
grundlage in der europäifchen Gesellschaft bekämpfen, svllten
doch die erften fein, das „biogenetische Grundgesetz" auch in
der Pädagogik anzuerkennen und zu verftehen, daß auch die
geiftige Lebensbewegung der Menschheit ein Durchlaufen der
früheren Vildungszuftände als das Natürlichste erscheinen läßt;
fie svllten einsehen, daß für den jugendlichen Geist die Bekannt-
fchaft mit einem jugendlichen, einfachen, harmonischen Cultur-
fyftein, wie es das griechische ist, immer das Geeignetste bleibt.

Es liegt mir fern, die fchon allzu große Zähl derje-
nigen zu vermehren, welche für diese gegenwärtigen Zuftände
einzelne püdagogische Heilmittel vorschlagen; eine Panacee dafür
giebt es noch nicht. Wir müsfen uns an den Gedanken ge-
wöhnen, daß wir in dieser Hinsicht in einem Zeitalter der päda-
gogischen Experimente leben; wir müssen die Generationen be-
dauern, an welchen diese wechselnden Versuche gemacht werden,
und wir dürfen nur die Hoffnung hegen, daß man durch Streit
und Mißlingen hindurch fchließlich, wenn auch erst fpät, zu einem
ueuen Systeme und zu ruhigerer Fortentwicklung der Bildung
gelangen wird.

Nur deshalb habe ich auf diese Gefahren, die Jeder fieht,
hier hingewiefen, weil das Geschick Hölderlin's auf das Jnnigste
mit diesem modernen Bildungsproblem verwachfen ist, weil die
Zerstörung scines hohen Geistes nur im verstärkten Maße und
in großen Zügen dasjenige darstellt, was im Kleinen bei Tau-
 
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