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Jedc Gesellschast hat — das ist ihre sittliche Anfgabe —
aus der Masse dcr individucllen Thätigkeiten dasjenige heraus-
zuarbciten, was an Norstellungen, Gefühlen und Willensbestim-
mungen ihren gemeinsamen Lebensgrund bildet. Sie hat mit
der Vereinigung aller ihrer Kräfte dies ihr Cultursystem zn
schaffen. Sie soll sich das, was in ihr univillkttrlich galt, zum
Bewußtsein bringen, sie soll es prüsen, soll sich besinnen, ob
sie es wirklich ancrkennt, und sie soll, wenn sie dies gethan hat,
es niederlegen in der Anvrdnung ihres gesammten äußeren
Lebensapparates. Mit dicscm ihrem Cnltursystem steht und
sällt der sittliche Werth jcdcr Gesellschaft: den letzten Schweiß-
und Blutstropfen hat sie daran zn sctzen, nm dasselbe zu
erzeugen und zn erhalten.

Und indenr so die einzelnc Gcscllschast in ihrer histori-
rischen Bedingtheit das Gemcinsame, das in ihr ttber allen
ihren Jndividuen waltet, zur Herrschast in ihrem inneren und
äußeren Leben bringt, strebt sic von ihrer natiirlichen Grund-
lage empor, in sich das absolut Allgcmeingiltige zur Erschei-
nung zu bringen- Das ist das letzte Ziel: aber jede Gesell-
schast löst es nur innerhalb der Grenzen, welche ihr durch
die ursprünglichc, natiirliche Gemcinsamkeit ihrer Sitte ge-
steckt sjnd.

Diese Aufgabe dcr Gesellschaft wurzelt also in dem Be-
griffe der Allgemeingiltigkeit: sie soll zunr Bewußtsein und
zur äußeren Darstellung bringen, was in ihr allgemein gilt.
Damit schafft sie ihr Cultursystem. Danrit äber ist nun zn-
gleich der Jnhalt des individucllen Pslichtbewußtseins, soweit
dasselbc von der historischen Bcsonderheit unabhängig ist, ge-
geben. Die Pflicht des Jndividnums ist, im Dienste der Ge-
sellschaft zu stehen, aber in dem Sinne, daß die gemeinsame
Arbeit derselben ihr Cultursystem erzeuge. Das materiale
Princip der Ethik lantct: thne das Deine, damit in der Ge-
 
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